Eigentlich ist der 9. November im Zusammenhang mit der Reichspogromnacht 1938 eher mit Trauer und Nachdenklichkeit besetzt. Dieser Gedenkabend im Scharwenkahaus, der zusammen mit der Leiterin der AG „Jüdische Spuren“ Karin Lüdke vorbereitet wurde, bot zu diesem Anlass dem Publikum im vollbesetzten Konzertraum diesmal ein ganz besonderes Programm.
Der Musiker Søren Thies, der mit seinem Akkordeon-Programm „Ojfn Weg“ auftrat, erklärte auch gleich zu Beginn des Abends, dass er eigentlich an diesem Tag nicht so sehr gerne spielt. Aber im Zusammenhang mit dem Vorprogramm, in dem die Erinnerung und die Vertreibung der Juden im Mittelpunkt stand, wollte er sein Konzert, das manchmal traurig stimmt, aber auch immer wieder Platz für Lachen und die Freude am Leben lässt, gerne im Scharwenka-Kulturforum präsentieren.
Nach der kurzen musikalischen Einstimmung durch Søren Thies wurde der Film „Kleine Denkmäler“ aufgeführt (Regie: Faroqhi & Peretz). Er entstand in Zusammenarbeit mit der AG „Jüdische Spuren“ im Förderverein „Kurort Bad Saarow“ und dem Filmfestival „Film ohne Grenzen“. Er zeigt, wie junge Konfirmanden aus Bad Saarow zusammen mit der Pastorin Anemone Bekemeier die Geschichte hinter den Stolpersteinen des Ortes erkunden und auch diese pflegen und regelmäßig putzen. Sehr berührend wirkten die nachdenklichen Worte der jungen Menschen, die sich mit dem Leid der ehemaligen jüdischen Bewohner beschäftigt haben, die nach dieser grauenhaften Nacht im November 1938 systematisch vertrieben, verschleppt oder ermordet wurden.
Im Anschluss würdigte Frau Bekemeier noch einmal das Engagement der Jugendlichen und natürlich die Unterstützung durch die Arbeitsgruppe und die Filmemacher dieses Jugendprojekts. Die Erfahrungen waren für alle Konfirmanden prägend, das demütige Knien vor den Steinen und das Putzen bleiben in Erinnerung.

Der nächste Teil des Abends war nun der Musik gewidmet. Søren Thies erzählte dem Publikum, wie er schon früh begann, sich mit der jiddischen Sprache zu beschäftigen. Nach dem Studium beschloss er, die Musik zum Hauptberuf zu machen. Seine Begeisterung für die Kultur der osteuropäischen Juden und für die melancholischen Tiefen der französischen Musik bestimmen seitdem sein künstlerisches Schaffen. Die jüdischen Künstler der Weimarer Zeit sind ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit. Die Musik jüdisch-deutscher Künstler war in den 20er Jahren berühmt. Schlager, Filmmusik, Operette, vieles ist noch heute in Erinnerung, weil zeitlos und oft wieder gespielt. So konnten dann auch fast alle bei einem sehr bekannten Lied mitsingen: „Das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder…“- -vertont von Werner Richard Heymann, der sehr viel Filmmusik für die UFA komponiert hatte. Im April 1933 musste er, wie so viele, emigrieren.
Eigenkompositionen von Thies über Sehnsucht und Weisheit, ein vertonter Text von Mascha Kaleko, ein jüdisches Morgengebet auf hebräisch-hier hörte man melancholisch-träumerische Klänge. Aber auch temperamentvolle Lieder, die das Publikum zum Mitsingen animierten, waren im Programm: „Tumbalalajka“, „Hava Nagila“- hier wurde dann sogar mitgetanzt. „Baj mir bistu scheijn“ wurde im jiddischen Original, englisch, hochdeutsch und französisch vorgetragen- die Gäste waren begeistert. Zu vielen der Lieder erzählte der Musiker Hintergrundinformationen, das war so auch noch einmal interessante Kulturgeschichte für alle.

Nach den Zugaben endete das Konzert mit „Irgendwo auf der Welt“, einem weiteren sehr bekannten Heymann-Schlager.
Mit diesen vielen wunderbaren Liedern hat uns der Künstler mit seinem Akkordeon einen berührenden Abend geschenkt und damit noch einmal bestätigt: Die jüdische Kultur muss weiterleben, und trotz alledem an so einem Tag auch die fröhliche!

Vera Jaspers, Karin Lüdke, Anemone Bekemeier und vom Filmteam Anna Faroqhi & Haim Peretz