Es gibt nichts Gutes – außer man tut es!

Lutz Storr - zu Gast in eigener Sache in der Reihe "Hör mal zu"

Dieser bekannte Spruch scheint ganz der Lebens-Maxime von Lutz Storr zu entsprechen. „Wenn man im 100. Jahr des Bestehens von Bad Saarow Persönlichkeiten des Ortes vorstellt, kommt man um Lutz Storr nicht herum“ so die neue Vorsitzende des Scharwenka Kulturforums e. V, Vera Jaspers zur Begrüßung. Auch das inzwischen obligatorische Entrée zur Gesprächsreihe „Hör mal zu“, diesmal von einem Mitstreiter Lutz Storr´s, dem Musikwissenschaftler Eberhard Geiger, am Flügel vorgetragen, war mit Bedacht ausgewählt: „I did it my way“. Ich mach´s auf meine Art!

„Wer in Bad Saarow lebt und auch kulturell und historisch unterwegs ist, begegnet ihm immer wieder: Ob als Gründer und langjähriger Vorsitzender des Fördervereins „Kurort Bad Saarow“, als Mitgestalter der Rekonstruktion des historischen Bahnhofs, als Initiator der vielen grünen Informationstafeln zu den bemerkenswerten Gebäuden Bad Saarows, als aktiver Mitgestalter des Scharwenka Kulturforums, als eine Art Ortschronist mit ortsgeschichtlichen Ausstellungen u.a. zu 250 wichtigen Saarower Persönlichkeiten, im Saarow-Centrum, im Scharwenka Haus, im Helios-Klinikum oder als Initiator und Autor bei der gerade erst erschienenen Chronik – „Bad Saarow, Wann war was?“ – Lutz Storr ist oft Initiator, Taktgeber und immer mit selbst großer Tatkraft dabei“, fügte Vera Jaspers hinzu. „Wir haben ihm viel zu verdanken.“

 

Diesmal sollten wir mehr über ihn, seine Motivation und seinen Lebensweg erfahren. Die Moderatorin hatte es nicht schwer. Sie brauchte nur wenige Worte und der immer agile 84jährige erzählte launig aus seinem Leben.

Geboren wurde er in schwieriger Zeit, am 8. März 1939, in einer kommunistischen Arbeiterfamilie in Berlin-Karlshorst. Die Mutter, im antifaschistischen Widerstand aktiv, hatte im Gefängnis gesessen. Der Vater als Werkzeugmacher war bei den Nazis auf der schwarzen Liste, der nicht zu Beschaftigenden. Beide Eltern waren als Handballer in Arbeitersportvereinen aktiv. Sie kannten den berühmten Ringer Werner Seelenbinder, sechsmaliger Deutscher Meister und Olympiavierter 1936 im Halbschwergewicht, der als Widerstandskämpfer 1944 von den Nazis hingerichtet wurde. Aber die Eltern ließen sich nicht unterkriegen, zogen nach Fredersdorf bei Berlin und bauten sich dort mit Unterstützung von Freunden ein Haus aus. Für sie begann nach Ende des Krieges ein wirklicher Aufbruch. Und immer spielte der Gemeinsinn in der Familie eine große Rolle. „Von der Mutter habe ich wohl die Härte, das Durchsetzungsvermögen, vom Vater die soziale Ader und die Kontaktfreudigkeit geerbt“ beschreibt Lutz Storr die Prägungen durch seine Eltern.

Die Schulen seines Lebens

Nach dem mittleren Schulabschluss absolvierte Lutz Storr die Ausbildung zum Elektromechaniker in den Berliner Elektroapparate Werken Treptow. Anschließend folgte ein Ingenieurs-Studium für Fernmeldetechnik. Als Absolvent wurde er ans Institut für Regelungstechnik vermittelt und arbeitete dort als „Meßknecht“ wie er es nennt. Das wurde ihm aber zu langweilig und so war er nicht böse, dass er zur NVA einberufen wurde. „Ich konnte dem militärischen Drill zwar nichts abgewinnen, wenn es an die Eskaladierwand ging, hab ich mich immer krank gemeldet, aber als Ingenieur wartete eine neue, herausfordernde Aufgabe auf mich“, erinnert er sich.

So wurde er, der nie eine Offiziersschule besuchte, zum Offizier und Leiter einer Richtfunkstelle bei der Luftverteidigung mit 6 Ingenieuren und 10 -15 Zivilbeschäftigten in Wilmersdorf berufen. Doch schon bald wurde es ihm in der Einöde wieder zu langweilig und er belegte noch eine Spezialausbildung als Fachingenieur für Datenverarbeitungstechnik. Schließlich war er Leiter der stationären Richtfunkstellen in militärischen Bunkern der DDR-Luftverteidigung, mit 150 Zivilbeschäftigten. „Wenn ich eins bei der Armee gelernt habe“, so Lutz Storr, „dann organisieren. Gleichfalls aber auch im langjährigen Ehrenamt.“ Mitte 1989, mit 50 Jahren, ist er als Offizier der NVA ausgeschieden, wurde dann Zivilbeschäftigter und als solcher sogar von der Bundeswehr übernommen. Bis 1991 war er dort beschäftigt. Aber die Arbeit nur am Schreibtisch lag ihm nicht.

Zu der Zeit wurde in Bad Saarow ein Geschäftsführer für den Tourismusverein Scharmützelsee e.V. gesucht.  Lutz Storr bewarb sich – und wurde eingestellt. „Ich hatte zwar keine Ahnung vom Tourismus „, so sagt er heute , „aber ich hatte Ideen und Organisation, das hatte ich gelernt.“ Zwei Jahre später wurde er von der neu gegründeten gemeindeeigenen Kur GmbH abgeworben und als Geschäftsführer der Scharmützelsee  Schiffahrtsgesellschaft eingesetzt. Auch hier setzte man auf sein unternehmerisches Geschick und Organisationstalent. Und das bewies er dann auch, ließ den Rundpavillon mit Café errichten, kaufte das Salonschiff „Bad Saarow“ steigerte den Umsatz von 350 Tausend auf 1 Million Euro, gründete die Saarow Marina für Bootsanleger als eigenen Betriebsteil sowie den Betriebsteil SaarowShuttle. Schließlich wurde bereits Ende der 90er Jahre von ihm ein Bus-Shuttle in Bad Saarow organisiert. „Wir haben auch ein Benefiz-Konzert für die Mit- Finanzierung des Shuttle veranstaltet. Gastronomen von Bad Saarow waren beteiligt. Wir waren unserer Zeit damals etwas voraus“ so Lutz Storr heute. Leider klappte es mit der dauerhaften Finanzierung, durch versprochene, aber ausbleibende Beteiligung der Gemeinde, dann doch nicht mehr. Als Lutz Storr in Rente ging, wurde der Shuttle-Bus wieder eingestellt.

Vom Tourismus- zum ehrenamtlichen Kulturmanager

1995, inzwischen auch in Bad Saarow ansässig, gehörte er zu den Gründern des Fördervereins „Kurort Bad Saarow“ e. V. Und was er hier geleistet hat, ist kaum zu ermessen. 23 anerkannte Ausstellungen zur Geschichte, Kultur und Persönlichkeiten am Märkischen Meer wurden vom ihm mit verschiedenen Teams zusammengetragen und kuratiert. Sie sind z.T. bis heute als Dauerausstellungen in der Tourist-Info im Bahnhof, im Helios Klinikum, im Scharwenkahaus zu besichtigen. Es wurden Bücher, CDs, Filme, Broschüren und seit 2012 Kalender über den Ort und die Ortsgeschichte heraus gegeben. Auf den Informationstafeln, Großbildschirmen können sich Besucher und Einheimische über die Geschichte Bad Saarows informieren. Auch der Schmeling Rundweg wurde von ihm konzipiert und umgesetzt. Sein letztes Werk in dieser Reihe war vor 2 Jahren die Gestaltung des Fontaneparks.
All das konnte nur gelingen, weil Lutz Storr es versteht, Menschen für die gemeinsame Sache zu gewinnen. 15 Jahre organisierte er als Vorsitzender die ergebnis- und umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeit des Vereins. Er ist oft Ideengeber und versteht es, Netzwerke zu knüpfen, um die Ideen auch umzusetzen. Viele seine MitstreiterInnen sind zu langjährigen Freunden geworden und saßen mit im Saal. So Ute Mohrmann, Wolfgang Andres, Wolf Hartmann und Peter Grabley, mit dem er gemeinsam die Spendenkampagne, mit über 100 T€ zur Rettung und Sanierung des historischen Bahnhofs gemanagt und der die Idee dazu hatte.

Seit 2001 Scharwenkianer

Im Jahr 2001 wieder-entdeckte die Lübecker Pianistin und Vorsitzende der Xaver und Philipp Scharwenka Gesellschaft e.V. Lübeck, Frau Prof. Evelinde Trenkner, das Musenhaus in Bad Saarow. Das Holzhaus der Familie Scharwenka, 1910-1911 erbaut, war aber inzwischen ein Ruheobjekt. Die Fenster vernagelt, der Fußboden durchgefault. Lutz Storr wäre aber nicht Lutz Storr, wenn er sich der Sache nicht angenommen hätte. Der Förderverein „Kurort Bad Saarow“ e.V., mit seinem Vorsitzenden Lutz Storr an der Spitze, entwickelte zur Rettung des Künstlerhauses und bei den in den folgenden Jahren zu realisierenden Aufgaben zahlreiche Initiativen. So wurde u.a. die Spendenaktion „Noten für das Scharwenka Haus“ ins Leben gerufen. Daraus folgte später die Aufstellung einer Notenspendertafel am Scharwenka Haus. Und es wurden 30 Benefiz-Konzerte im Hotel Esplanade, aber auch im Scharwenkagarten organisiert. Damit wurde das Geld für Mitgliedschaft des Fördervereins in der Stiftung eingeworben. 36 Tausend Euro kamen zusammen.
2007 schuf Lutz Storr mit einem Team die 1. Scharwenka-Ausstellung in Bad Saarow und organisierte erste Arbeiten am Scharwenkagrundstück, damit die Öffentlichkeit  sieht, hier tut sich etwas.
Die Gemeindevertreter waren zuerst nicht alle bereit, wollten Gelder lieber für  Hotels und Straßenbau, anstelle für Kulturförderung ausgeben. Der damaligen Bürgermeisterin Gerlinde Stobrawa und Peter Wachalski, von Lutz Storr 2007 für das Scharwenkaprojekt gewonnen und nun  Stiftungsvorsitzennder, gelang es schließlich, die benötigte Mehrheit der Gemeindevertreter zu überzeugen, dass ein Kurort auch Kultur braucht. Schließlich hat die Gemeinde Grundstücke verkauft, auch ein Teil des großen Scharwenkagrundstücks, um den Eigenanteil für Fördermittel zur Rekonstruktion des Hauses zum Scharwenkakulturforum abzusichern.

scharwenka Haus 2006

Scharwenkahaus  Zustand 2006

2009 erfolgte, unter Mitwirkung von Lutz Storr vom Förderverein, die Gründung der gemeinnützigen Scharwenka Stiftung mit dem Ziel Leben und Werk der Scharwenka Komponisten bekannt zu machen, das Erbe zu sammeln und zu pflegen, die Rezeption ihres Schaffens zu fördern und als künftiger Pächter der Immobilie das Betreiben des Hauses als „Scharwenka Kulturforum“ gemeinsam mit den anderen Vereinen zu sichern. Gründungsstifter sind die Gemeinde Bad Saarow, der Förderverein „Kurort Bad Saarow“ e.V., der Xaver Scharwenka Komponierhaus e.V., seit 2016 Scharwenka Kulturforum e.V., und drei weitere Privatpersonen.

Jetzt konnten Spenden eingeworben und mit der Sanierung des Hauses begonnen werden. Lutz Storr hat das Haus mit entkernt, Sand in den Garten für die Streuobstwiese und den open air-Bereich aufschütten lassen, organisierte weiter Benefizkonzerte (30 von 2002-2013!) und war wohl auch als aufmerksamer und kritischer ehrenamtlicher Bauleiter immer zur Stelle.

Im Januar 2014 war dann die originalgetreue Sanierung abgeschlossen, der Musentempel konnte eröffnet werden, mit Musikermuseum, Veranstaltungssaal, Ortshistorischen Ausstellungen und Archiv.

Das wir heute also so ein anerkanntes Kulturforum mit regelmäßigen Veranstaltungen und Konzerten besuchen können, ist nicht zuletzt der Hartnäckigkeit, dem Ideenreichtum und dem Einsatz von Lutz Storr und vielen seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu danken. Seitdem immer an seiner Seite im Scharwenkahaus Kulturforum e. V. hat sich Gerlinde Stobrawa um die „Bespielung“ des Hauses gekümmert, sich um ein umfangreiches und kulturell anspruchsvolles Kulturprogramm verdient gemacht. Sie hat immer wieder neue Ideen eingebracht und Mitglieder für die ehrenamtliche Arbeit im Haus geworben, war und bleibt die „Seele“ des Hauses.

“ Bleibt bei so viel öffentlichem und ehrenamtlichem Engagement eigentlich noch Zeit für ein Privatleben? Und steht hinter einem erfolgreichen Mann nicht immer auch eine starke Frau?“ wollte die Moderatorin wissen.

„Na, logisch! Meine Frau Ingrid ist mein bester Partner, engagiert in Vereinen wie ich. Wir sind ein Team, bei der Arbeit wie im Leben.“ Und so verwundert es nicht, wenn beide oft im Scharwenkahaus anzutreffen sind. Es ist sozusagen ihr zweites Zuhause geworden. Die Vorstandsarbeit hat Lutz 2023 in jüngere Hände abgegeben und arbeitet jetzt als „Assistent“, wie er es nennt. Was natürlich arg untertrieben ist. Denn noch immer geht kaum eine Veranstaltung ohne ihn über die Bühne. Als Techniker und verantwortlich für Haus und Hof ist er immer gefragt.

Segeln – das ist meine Welt

Schon vor 70 Jahren, als 14jähriger Schüler hat er mit dem Ehrenamt angefangen als er zum Vorsitzenden einer GST-Segelsportgruppe gewählt wurde. „Schon damals habe ich nicht nur segeln gelernt, sondern auch, wie man Vereinsarbeit organisiert.“ so Lutz Storr. Sein Organisationstalent blieb nicht unbemerkt und so war er später 25 Jahre Vorsitzender des Bezirksverbandes der Segler im Bezirk Frankfurt /Oder, 1990 Vorsitzender des Rates der Segler der DDR. Danach hat er die Vereinigung der beiden Deutschen Seglerverbände mit gemanagt und war 16 Jahre Vize-Vorsitzender des vereinigten Deutschen Seglerrates.
Gleichfalls war er 1990 Mit-Gründer des Verbandes Brandenburgisch Segler, später auch Vorsitzender und heute Ehrenvorsitzender.

In Bad Saarow hat er 1990 dafür gesorgt, dass der Saarower Seglerverein am Werl neu gegründet wurde und in ruhiges Fahrwasser kam. Dass das Grundstück am See von der Treuhand in Gemeinde-Eigentum übertragen und damit durch einen langfristigen Pachtvertrag für die Sportler gesichert wurde. Mit direktem Sitz an der Westseite des Scharmützelsee gehört er heute wieder zu den größten und aktivsten Segelvereinen im Land Brandenburg. Unnötig zu erwähnen, dass Lutz Storr auch hier mit Herz, Hand und Verstand dabei ist und 17 Jahre Vereinsvorsitzender war. Segeln ist für ihn keine Elitesport. Jeder der Interesse hat, kann Mitglied des Vereins werden und segeln. Die Jugendarbeit stand bei ihm im besonderen Focus. Oft sieht man eine kleine Armada von Seglern über den Scharmützelsee kreuzen. Und Lutz Storr immer mitten drin. Entweder auf dem Boot oder als Organisator. Vier Deutsche Meisterschaften im Segeln hat er auf dem Scharmützelsee organisiert.

„Segeln“, so Lutz Storr“, das ist mein Ding. Dabei kann ich entspannen.“

Als aktiver Segler  erreichte er Bronze und Silber bei den Deutschen Meisterschaften 1969 und 1971 in seiner Bootsklasse, der O-Jolle. Noch heute ist er 50 Tage, ca. 100 km und ca. 150 Stunden im Jahr auf dem Boot unterwegs, gemeinsam mit seiner Frau Ingrid. Das ist für ihn Entspannung pur.