Ziel: Gleichwertige Lebensverhältnisse in Oder-Spree

Ernst und unterhaltsam: Landrat Frank Steffen war Talk-Gast bei "Hör mal zu"
Als Dankeschön zum Schluss des Talks mit Landrat Frank Steffen überreicht Vereinsmitglied Ruth Buder ein Fläschchen Quittenbrand. Die Früchte stammen aus dem Scharwenka-Garten, verarbeitet hat sie die Werner Menzel, Inhaber der Streitberger Brennerei.

„Es geht mir gut“, sagte Frank Steffen auf die lockere Einstiegsfrage zum Talk „Hör mal zu“ am Freitagabend im Scharwenka Kulturforum. Der Verein hatte den erst im vergangenen Jahr gewählten neuen Landrat zum Gespräch eingeladen, das haargenau 200 Tage nach Amtsantritt stattfand. Nein, auch bereut habe er seinen Schritt noch nicht, Chef der 1200 Mitarbeiter der Kreisverwaltung Oder-Spree zu werden – trotz der täglichen Herausforderungen. Das Interesse an dem Behördenchef war groß, das Haus gut besucht, die Stimmung locker – trotz etlicher kritischer Nachfragen aus dem Publikum.

Gleich zu Anfang erfuhren die Besucher, dass Frank Steffen auch mal einen „ordentlichen Beruf“ erlernt hatte, nämlich Instandhaltungsmechaniker im damaligen EKO, heute Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt. „Ich weiß noch wie das ist, früh um vier mit dem Bus zur Arbeit zu fahren“, erzählte er. Auch seine Erfahrungen als Zivi, wo er alten Leuten das Essen brachte, möchte er nicht missen. Erst nach der politischen Wende engagierte sich Steffen politisch, war Mitbegründer der SPD in Beeskow und 1991 der jüngste Abgeordnete des Kreistages Beeskow, leitete nach der Kreisreform 1993 das Kreistagsbüro unter Landrat Dr. Jürgen Schröter, wurde 2010 Bürgermeister von Beeskow, 2018 wiedergewählt – und hatte dieses Amt bis Mitte vergangenen Jahres inne. In die bundesweiten Schlagzeilen schaffte es Steffen, weil er seinen AFD-Kandidaten in der Stichwahl knapp besiegen konnte.

Friedemann Mewes, der ehrenamtliche Klavierspieler des Scharwenkahauses, brachte das Bechstein-Klavier zum Klingen

Zu dieser Zeit war Steffen auch noch Vorsitzender des SPD-Unterbezirks. Diesen Posten gab er jedoch aus gutem Grund ab: „Als Landrat möchte ich möglichst überparteilich agieren“, sagte er während des Talks. Schließlich sei der Kreistag keine homogene Truppe, sieben Fraktionen wollen hier bei der Beschlussfassung mitreden. Locker plauderte Steffen über die Aufgaben des Kreistages, die vielen Bürgern gar nicht bewusst sind: „Schon wenn Sie die Mülltonne rausstellen, hat das was mit dem Landrat zu tun.“ Die Palette der Verantwortlichkeiten reiche über den Busverkehr, die Sozialleistungen, weiterführende Schulen, Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung bis hin zur Einhaltung der Bauordnung und des Umweltschutzes, um nur einiges zu nennen. Von den 500 Millionen Euro im Haushalt sei das meiste Geld für Pflichtaufgaben „fest verplant“. Dennoch, so Steffens Credo, möchte er möglichst viel gestalten, statt nur zu verwalten. Er arbeite daran, die Verwaltung effizienter und kostensparender zu machen, vor allem im kulturellen und sportlichen Bereich böten sich Möglichkeiten zu gestalten. Nach dem Gespräch mit Vereinsmitglied Ruth Buder nutzten die Gäste, darunter auch Bürgermeister Axel Hylla, die Möglichkeit, ihre Meinung kundzutun und Fragen zu stellen. Die Palette reicht dabei vom Spezialschülerverkehr ins Gauß-Gymnasium nach Frankfurt (Oder), über nicht nachzuvollziehende Fäll- und Baugenehmigungen, die Sorge um die Krankenhäuser Eisenhüttenstadt und Beeskow in Folge der bundesweiten Krankenhausreform. Es ging um Wünsche nach Verbesserungen des öffentlichen Personennahverkehrs  und um Wettbewerbsverzerrungen durch den Dalli-Bus zu Lasten der Taxifahrer. Auf die Frage von Wolf D. Hartmann nach seinen Visionen für den Landkreis sagte Steffen: „Ich bin kein Freund von Mega- Entwicklungen, eher für ausgeglichene Lebensverhältnisse im Landkreis, für die Übertragung der dynamischen Entwicklung im Randberliner Raum in den Ostteil des Kreises.“  Deshalb sei der Kreis mit den angrenzenden Ämtern dabei, eine weitere Fläche zur Ansiedlung von Industrie bei Eisenhüttenstadt zu entwickeln, weil es offenbar Bedarf dafür gebe. Steffen sagte, hätte sich Tesla in einem Gebiet angesiedelt, wo es immer schon Industrie gab, wie beispielsweise in Eisenhüttenstadt, wäre die Akzeptanz unter der Bevölkerung größer gewesen.

Den zwar ernsthaften, aber auch unterhaltsamen Abend im Plauderton bereicherte musikalisch wieder der ehrenamtliche Klavierspieler Friedemann Mewes, der zu Beginn und zwischendurch das Bechstein-Klavier zum Klingen brachte.

In den Ohren des Landrates dürfte geklungen haben, dass gleich mehrere Besucher die ehrenamtliche politische Arbeit von Menschen in diesen angespannten Zeiten, wo es nicht immer respektvoll und sachlich zugeht, würdigten. Für die Kommunalwahlen am 9. Juni wünschte sich Frank Steffen, dass vor allem jüngere Menschen und Frauen in die Politik einziehen.

Nach seinem freundlichen Eintrag ins Gästebuch fuhr Frank Steffen mit seiner Frau nach Hause – nach Kohlsdorf bei Beeskow.