Können Affen sprechen? Natürlich nicht. Ihnen fehlt einfach die genetische Veranlagung. Dieses und vieles andere mehr haben die Besucher der Talk-Runde mit dem Sprachwissenschaftler Dr. Thomas Vogel gelernt. Und das in unterhaltsamer Weise. Denn Moderatorin Ilona Genschmar, stellvertretende Vereinsvorsitzende, und ihr Gesprächspartner führten trotz der Komplexität des Themas – alles hat mit Sprache zu tun – mit einer gewissen Leichtigkeit durch den Abend. Sprache sei ein Naturprodukt, sie sei irgendwann in der Evolution entstanden. Aber ohne genetisches Programm würde Sprache nicht funktionieren, erklärte der Experte. Mit unseren „nächsten Verwandten“, Affen und Schimpansen, seien vor Jahren noch Experimente diesbezüglich vorgenommen worden, dies sei heute aus ethischen Gründen verboten. Man habe einen Schimpansen in eine Menschenfamilie aufgenommen, ihn angezogen und am Tisch mitessen lassen. Das Ergebnis: Höchstens eine Zeichensprache habe er erlernen und symbolisch agieren können, aber nicht sprechen. Sein Vokaltrakt sei dafür nicht ausgebildet, eine Lautsprache nicht möglich, so das Ergebnis.
Auf die Frage, ob wir in unserer globalisierten Welt eine einheitliche Weltsprache brauchen, sagte Dr. Vogel, dass alle Bemühungen dahingehend gescheitert seien. Wir müssten uns daran gewöhnen, dass in unserem Umfeld immer mehr verschiedene Sprachen gesprochen werden und eine entsprechende Sensibilität für Mehrsprachigkeit entwickeln. „Nicht zu jeder Zeit werden alle alles verstehen.“ Es sei durchaus möglich und zu empfehlen, mehrere Sprachen nebeneinander zu erlernen. Er riet, jede Chance dazu zu ergreifen, ohne immer zur Perfektion zu streben. Denn was die Mehrsprachigkeit betreffe, verändere sich Deutschland geradezu dramatisch. Mehrere Sprachen zu erlernen, wirke auch gegen Demenz, berief sich Dr. Vogel auf wissenschaftliche Forschungen. „Aber nur wenn verschiedene Sprachen täglich benutzt werden, nicht allein durchs das Lernen von Vokabeln“, schränkte Dr. Vogel ein. Die Sprachen müssten im Gehirn sein, ein kognitiver Mechanismus aktiviere eine Sprache und unterdrücke die anderen, die gerade nicht gebraucht würden.
Sprache sei nichts Statisches, sie verändere sich, verwahrlose zum Teil seit Menschen aus den Höhlen gekommen seien. Sprachen würden aussterben, andere neu entstehen. Nach seiner Meinung zum Gendern befragt, sagte der Wissenschaftler im (Un-)Ruhestand: „Jeder nach seiner Fasson.“ Seiner Auffassung nach würde Sprache benutzt, um für andere Dinge zu kämpfen. Auch auf die Gefahren der Kurznachrichtendienste wie Whatsapp wies der Experte hin: Hier würden Regeln der mündlichen auf die schriftliche Kommunikation übertragen – es fehlten Kontext, Intonation, Mimik und Gestik. Was schnell zu Missverständnissen führen könne. „Das ist ein System, das wir bisher so nicht hatten.“
Zu den Zuhörern, denen der Abend sehr gut gefallen hat, gehörte Heike Möbis und ihr Mann Andreas. Die Englisch-Lehrerin aus Teupitz kannte Dr. Thomas Vogel aus Weiterbildungen und Sprachreisen nach England. Sie teilt mit ihrem Lehrer den Spaß an der Sprache und sprach voller Hochachtung von ihm. „War ein interessanter Abend“, lobte sie.
Thomas Vogel ist in Ludwigshafen am Rhein geboren und durch seine theater- und lesebegeisterten Eltern früh an Sprache interessiert worden. Er studierte Anglistik, Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Kiel und der Queen’s University Belfast. Von 1982 – 1992 unterrichtete er Englische Linguistik an der Universität Kiel und war von 1992 – 2020 der Leiter der Sprachausbildung an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Er ist der Gründer der viadrina sprachen gmbh und des Wulkow-Netzwerkes der Leiter von Hochschulsprachenzentren. Seit seinem Eintritt in den Ruhestand 2020 ist er als Berater im Bereich Mehrsprachigkeit tätig. In dieser Funktion unterstützte er das Bildungsministerium Brandenburg bei einer Erstellung eines Mehrsprachigkeitskonzeptes für das Land.
Als Ilona Genschmar Dr. Thomas Vogel zum Schluss und zum Dank eine hochprozentige „Moorleiche“ überreichte, witzelte der Gast: „Mit etwas Alkohol lernt man Sprachen am besten …..“
Wie immer bei den „Hör mal zu“- Talks übernahm Vereinsmitglied Friedemann Mewes den musikalischen Teil. Er spielte eine Barkarole von Xaver Scharwenka, dem einstigen Hausherren, und einen flotten Jazz-Titel.