Wer sich aufs Abenteuer begibt, der kann nach seiner Rückkehr was Spannendes erzählen. So wie Katrin Fenske. Die ehemalige Bauingenieurin, die ihren gut dotierten Beruf an den Nagel gehängt hat, hat in ihrem zweiten Leben eine ganz neue Seite an sich entdeckt. „Ich bin sensibler und feinfühliger geworden. Und ich habe gemerkt, dass ich mich mehr um mich selber kümmern muss. Das alles habe ich nicht als Problem, sondern als Bereicherung empfunden.“ Heute ist die 62-Jährige Coach und Lebensberaterin in Bad Saarow. Im vergangenen Sommer sagte ihr ihre innere Stimme, dass sie auf Pilgertour nach Santiago de Compostela gehen müsse. Gesagt getan. Im Juli 2023 machte sie sich auf den Weg. Wie es ihr erging, erzählte sie, untermalt von zahlreichen Fotografien, während der „Kaffeezeit“ im Scharwenka Kulturforum. Das Interesse war groß. Es waren auch Besucher gekommen, die das Haus bisher nicht kannten, aber durch das Thema angelockt worden waren.
Begonnen hat Katrin Fenske ihre große Reise zu Fuß in Tübingen. Dabei hatte sie nur ihren acht Kilo schweren und minimalistisch gepackten Rucksack dabei, ihren Personalausweis und das Pilgerheft für die Stempel, um schließlich den Nachweis zu erbringen für die Pilgerurkunde. Klar kommen musste sie aber auch mit einem begrenzten Budget.
Nach einigen Tagen im schönen Schwarzwald und ziemlich teuren Unterkünften in Deutschland, entschied sie sich, mit dem Zug nach Rastatt zu fahren und dort für 60 Euro in einen Flieger nach Porto zu steigen. Dort angekommen wusste sie: „Jetzt geht es richtig los.“ Sie traf eine Begleiterin, die portugiesisch konnte und ein Pärchen, das gerade von Santiago de Compostela zurückgekehrt war und den Neulingen gute Tipps geben konnte. Rund 180 Kilometer Fußweg lag vor ihr. Von da an ging es vorwiegend an der Küste entlang, durchs grüne Galizien, aber auch an verkehrsreichen, staubigen Straßen, über die Grenze nach Spanien. Oft waren die mit Geröll übersäten Wege beschwerlich, weil bei großer Hitze viele Steigungen überwunden werden mussten.
Unter den Besuchern des Nachmittags war auch eine Frau, die die Pilgertour nicht überstanden hat und wegen Überschöpfung aufgeben musste. Da Katrin Fenske schon in Nepal und im tropischen Regenwald war, wusste sie, was es heißt, unter extremen Bedingungen zu wandern. Die normal sportliche und gesunde Frau war froh, eine langärmlige Bluse dabei zu haben, eine Mütze mit Sonnenschutz und eine Wasserblase, die sie immer wieder auffüllen und am Bauch tragen konnte. Auch ein luftiges Kleid hatte sie eingepackt, denn sie wusste, dass man am Abend auch mal aus den Wanderklamotten aussteigen wollte. Über tolle Erlebnisse unterwegs konnte sie berichten, von spartanischen, aber ordentlichen Hostels oder Klöstern, wo sie relativ bescheiden übernachtete. „Man ist so kaputt, man schläft überall gut.“
Die letzte Nacht vor dem ersehnten Ziel in Spanien verbrachte sie im Kloster Herbon. „Dort hatte ich ein Einzelzimmer von zwei mal zwei Metern, ein Luxus. Wir wurden mit Ave Maria geweckt, das war wunderbar. Und vor uns lagen nur noch acht Kilometer.“ Acht Kilometer, kaum zu fassen. Katrin Fenske konnte ein bisschen trixen, denn die äußerst zugewandte und kommunikative Dame im Pilgeroutfit traf auf einen alten Mann, der ihr freundlicherweise eine kürzere Strecke empfahl: „Da waren es nur noch drei Kilometer.“ Am Tag 12 erreichte sie Santiago de Compostela, da stand sie wie die vielen anderen Pilger vor der berühmten Kathedrale und vor dem Hochaltar des Apostel Jakobus. „Ich hatte es geschafft.“
Und was hat diese Pilgerreise mit dir gemacht fragte Vera Jaspers, Vorsitzende des Vereins, Katrin Fenske zum Schluss eines sehr interessanten Nachmittags: „Viele unschöne Gedanken aus der Vergangenheit waren wie ausgelöscht. Sie sind weg. Ich war innerlich das erste Mal richtig frei.“