Wahrscheinlich träumen alle Segler von einer Weltrundfahrt. So deutete jedenfalls Reinhard Kiesewetter die sehr gut besuchte Veranstaltung – darunter viele Segelfreunde – im Scharwenka-Kulturforum, als Horst Scholz „Zur Kaffeezeit“ zu Gast war. Eineinhalb Stunden erzählte der 73-Jährige von seiner Leidenschaft fürs Wasser, das Segeln, die Natur und von seinem großen Fernweh, das er seit jungen Jahren in sich spürte. Begonnen hatte alles, als ihm sein Vater ein Faltboot geschenkt hat, mit dem er auf einem Tagebau-See bei Leipzig seine ersten Versuche wagte. Später kaufte er sich einen Jollenkreuzer, auf dem er mit Frau und Kindern die Wochenenden auf den Berliner Gewässern verbrachte. An eine Weltumseglung war zu DDR-Zeiten nicht zu denken, zu viel Angst hatte die Parteiführung, dass man mit dem Boot über die Ostsee in den Westen türmen konnte.
Doch dann kam die Wende und für Horst Scholz rückte der Traum in greifbare Nähe. 1995 kaufte er von einem Freund ein acht Meter langes Kielboot, Marke Eigenbau. Mit seiner „Hiddensee“ startete er 1996 – da war Horst Scholz 46 Jahre alt – den ersten Versuch einer Weltumseglung. Zwei Jahre sollte sie dauern, rund 25 000 Seemeilen wollte der Einhandsegler zurücklegen. Doch nach 21 000 Seemeilen musste er aufgeben. In der Karibik, zwischen Kuba und Florida, brach der Mast und Horst Scholz geriet in Seenot. Die Besatzung eines polnischen Frachters rettete ihm das Leben. Mit dem Kapitän ist er heute noch befreundet. Von Bord des Frachters musste er zusehen, wie seine „Hiddensee“ versank. „Ich habe geheult, denn mit diesem Schiff hatte ich viel erlebt, es war ein Teil von mir“, erinnert sich Scholz. Weil der Untergang der „Hiddensee“ von seinen Rettern dokumentiert werden konnte und der Einhandsegler glücklicherweise am Leben geblieben war, zahlte auch die Versicherung. Danach wusste er auch, was er falsch gemacht hatte: „Als Ossi dachte ich, ich muss ostwärts segeln. Aber westwärts mit den Winden wäre sinnvoller gewesen“, hat er gelernt.
Obwohl er erlebt hat, wie zermürbend Einsamkeit auf hoher See sein kann und das Boot zwangsläufig zum stummen Kameraden wird, sagte sich Horst Scholz: „Das versuchste noch einmal.“ Er begann für seine nächste Tour zu sparen, kaufte sich ein neues, neun Meter langes Stahlschiff, ebenfalls Marke Eigenbau. 2008, da war er 58 Jahre alt, setzte er die Segel für die erneute Fahrt durch die Weltmeere. Wieder allein. Die erste Frau habe nicht mitfahren wollen und war nach dem Turn weg, auch die zweite habe das gefährliche Abenteuer gescheut. Auch sie, so erzählt Scholz, habe nicht auf ihn gewartet, als er 2010 unbeschadet zurückkehrte. Dass er und das Boot wieder heil ankamen, war nicht nur Glück, sondern auch Geschick und Erfahrung, die ihn vor Unheil bewahrten: Vor Honduras war er mit einigen Tricks Piraten entkommen, die in ihren schnellen Fischerbooten gern auch einen Einhandsegler gefangen hätten. „Die warten regelrecht aus auf Segler, die sie ausrauben können.“
2014, da war er schon im Vorruhestand, startet er mit seiner neuen Frau Petra, einer versierten Taucherin, mit der „Humboldt“ vom Scharmützelsee in die Weltmeere. Horst Scholz zeigt während der Veranstaltung im Scharwenka-Haus viele Bilder von seinen Erlebnissen, wo er auch Land und Leute kennenlernte, in den USA, Brasilien, Argentinien, Kuba, Kolumbien, Curacao und, und, und. Fasziniert haben ihn die Menschen: „Die meisten sind viel ärmer als wir. Aber sie haben bessere Laune und sind sehr gastfreundlich“, hat Horst Scholz erfahren. „Und sie achten sehr darauf, dass wir ihre Art zu leben, akzeptieren.“
Die „Humboldt“ liegt derzeit in der Ostsee. Wegen des derzeitigen Niedrigwassers kann er es nicht in den Heimathafen im Scharmützelsee bringen. „Ich hoffe, dass es über den Herbst und Winter dollen Regen gibt“, wünscht sich Horst Scholz. Ob er noch mal auf große Segelreise geht, wollte er an diesem anregenden Nachmittag nicht verraten.