Tja, wo soll man anfangen beim Schreiben über diesen wunderbaren Abend? Beim begeisterten Publikum, in dem außergewöhnlich weit angereiste Gäste saßen? Bei der aufgeschlossen-fröhlichen Atmosphäre im voll besetzten „Wohnzimmer“ von Xaver Scharwenka? Am besten wohl bei der Pianistin, die dafür sorgte, dass dieses Klavierkonzert zu einem bleibenden Erlebnis wurde.
Kasia Wieczorek, gebürtige Polin und seit 2001 in Deutschland zu Hause, zog die Gäste durch ihre herzliche Art sofort in ihren Bann und überzeugte natürlich vor allem mit ihrer Professionalität am Bechstein-Flügel. Ihre versprochene musikalische Reise um die Welt begann sie mit den „Vier Mazurkas op. 17“, einer Huldigung an ihren Landsmann Frederic Chopin. Sehr angenehm an ihrem gesamten Auftritt war, dass sie zu den einzelnen Stücken einige Worte über den Komponisten und die oft sehr interessanten Hintergründe der Entstehung ihrer Werke lieferte, also gleich ein Stückchen musikalisches Hintergrundwissen vermittelte. So auch über den Norweger Edward Grieg, den man den Chopin des Nordens nennt. Er war ein sehr introvertierter, aber leidenschaftlicher, poetischer Pianist, wie man seinen lyrischen Stücken anmerkt, woraus die Solistin „An den Frühling“ und „Zug der Zwerge“ spielte. Bei letzterem spürte man förmlich das Wuseln und Umhertippeln der kleinen Märchengestalten und hatte sogleich die norwegischen Trolle vor dem geistigen Auge. Weiter ging es mit dem spanischen Komponisten Manuel de Falla und seinen „Siete Canciones Populares“(Sieben populäre Lieder), dann mit einem Sprung über den Atlantik zu den „Dos Danzas Cubanas“ (Zwei kubanische Tänze) von Ignacio Cervantes bis zu einem Tango des bekannten Argentiniers Astor Piazolla. Interessant dabei die Geschichte des Tango Argentino. Denn dieser war in seiner Heimat unglaublich populär, ihm hing aber immer der Ruf des Verruchten an, weil er vorwiegend in zwielichtigen Bars bzw. Bordellen gespielt und getanzt wurde. Piazolla wollte ihn davon befreien, lernte in Paris das Komponieren und schuf den Tango Nuevo. Doch das gefiel den Argentiniern überhaupt nicht. Als er damit nach Hause kam, trauten er und seine Familie sich kaum aus dem Haus, weil die Einheimischen sich mit dem Neuen gar nicht anfreunden wollten.
Über die dann gespielte „Rhapsody in Blue“ des Amerikaners George Gershwin erfuhren die Zuhörer, dass diese durch einige skurrile Umstände ganz schnell komponiert werden musste und Gershwin den Großteil im Zug von New York nach San Francisco schrieb. Bevor Kasia Wieczorek in ihrer Zugabe noch einen das Publikum förmlich von den Stühlen reißenden Jazz-Titel dem Bechstein-Flügel entlockte, intonierte sie die anrührende „Hymn to Freedom“ des Kanadiers Oscar Peterson, die er anlässlich des per Gesetz verkündeten Endes der Rassentrennung geschrieben hatte.
Natürlich verging der Abend nicht ohne eine Reverenz an Xaver Scharwenka, dessen Todestag sich am 8. Dezember 2024 zum 100. Mal jährt. In der Hälfte ihres Programms spielte Kasia Wieczorek die wohlklingende „Nocturne, op.86“. Mit diesem „Nachtlied“ gestand sie, dass sie sich erst zu dem Auftritt in Bad Saarow intensiv mit Scharwenka beschäftigte und in seinen Stücken einen unglaublichen Reichtum an Farben und Fantasien entdeckt hat. Sie fand für sich die Erklärung, warum der Komponist einst in Vergessenheit geriet. „Noch zu seinen Lebzeiten kamen die neue Musik von Arnold Schönberg oder Alban Berg mit dem Einsatz der Atonalität und anderen Techniken des Komponierens auf. Da geriet der Romantiker Scharwenka leider ins Hintertreffen, allerdings zu Unrecht.“ Kasia Wieczorek versicherte, dass sie fortan Stücke von ihm spielen und seinen Namen wieder bekannter machen wird, auch in Musikerkreisen.
Und schließlich seien noch die weitgereisten Gäste im Publikum erwähnt. Aus Warschau kam Jörg Staben, der einst ein Schüler von Kasia Wieczorek war, jetzt in Polen lebt und im Internet sah, dass sie in Bad Saarow auftritt. Die Wiedersehensfreude nach 12 Jahren war natürlich riesig. „Das ist ja ein Kleinod, dieser Kulturtempel, den Sie hier haben“, war sein Urteil über das Scharwenka Kulturforum und nach einer kleinen Tour durch Bad Saarow auch über den Ort. Aus genau entgegengesetzter Richtung war Ulrike Kloppstech zu Gast. Sie lebt in Paris und war bei ihrer Mutter Bärbel Kloppstech in Frankfurt (Oder) zu Besuch. Die Zwei besuchen übrigens während ihres Zusammenseins auch regelmäßig das Scharwenka-Haus. Ganz begeistert von der Veranstaltung war ebenfalls eine Gruppe von acht Frauen, die ein Wellness-Wochenende in Bad Saarow verbrachten. Eine von ihnen, Dr. Dagmar Schuppe, mit privater Verbindung nach Bad Saarow, hatte die glänzende Idee, das doch mit Kultur zu verbinden, was alle für ganz vortrefflich hielten und nach dem Konzert höchst begeistert waren. Kennengelernt haben sich die acht Berlinerinnen vor über 35 Jahren bei gemeinsamen Sauna-Gängen. Gabriele Teistler sagte lachend: „Lange haben wir Sauna und Sport gemacht, jetzt sind wir bei Kaffee, Kuchen und Kultur angelangt.“ Auch sie versprachen wiederzukommen. Ein schönes Lob für alle ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Scharwenka-Vereins und auch die an diesem Abend wieder rührigen Aktiven.