Welcome To The Roaring Twenties!

Kurkonzert mit Frauen-Power im Scharwenka-Garten

Willkommen in den röhrenden Zwanzigern – nennt sich das Programm der drei Musikerinnen von „Rag Doll“, die sich dem Jazz der Südstaaten der zwanziger Jahre des vorigen  Jahrhunderts verschrieben haben. Während beim letzten Mal die Wilden Witwer losgelassen waren, rockten diesmal drei Power-Frauen das Kurkonzert im Scharwenka-Garten.

Wilde Frauen kennen keine Trübsal, so lautete – frei übersetzt – der Titel eines der ersten Songs im Scharwenka-Garten. Und die drei Powerfrauen von „Rag Doll“ bewiesen, dass auch sie keine Kinder von Traurigkeit sind.

Die Sonne schien, im Schatten der hohen Bäume war es mit kühlen Getränken, serviert von den fleißigen Damen des Scharwenka Kulturvereins, gerade so auszuhalten. Mehr als 100 Gäste hatten sich aufgemacht, um sich von Ragtime, Blues und Boogie Woogie begeistern zu lassen.

Die drei Damen der Berliner Band „Rag Doll“ bewiesen, dass sie das können. Amy Protscher (Klavier), Käthe von T. (Gesang) und Tanja Becker (Posaune) lieferten im Scharwenka-Garten ein Feuerwerk der guten Musik und der guten Laune ab. Das Konzert riss mit und spendete Lebenslust pur!

Kaum zu glauben, dass diese Musik schon rund 100 Jahre alt ist und auch ältere Semester immer wieder vom Stuhl reißt. Manchmal allerdings musste Käthe, die Sängerin und Frontfrau der Band, mit ihrer unnachahmlichen Art ein bisschen nachhelfen, um das Publikum zum mitmachen und mitsingen zu bewegen.

Als Rag Doll sich 2012 zu zweit gründete, waren sich Sängerin Käthe von T. und Pianistin Amy Protscher einig: Die Kaiserin des Blues , Bessie Smith, eine der ersten schwarzen US-amerikanischen Blues-Sängerinnen, deren Geburtstag sich am 15. April 2024 zum 130.ten Mal jährte, ist schuld daran, dass sie sich den 1920er Jahren und ihrer Musik verschrieben haben. Schwarze Komponisten und Musiker, deren Stimmen in Zeiten der Sklaverei zum Schweigen verurteilt waren, suchten nach dem Ende des blutigen Bürgerkrieges und der Abschaffung der Sklaverei 1865 in den USA, ihre Chance, erklärten sie am Rande des Konzertes. Aber es waren nicht nur die schwarzen Männer, sondern erstaunlicherweise auch schwarze Frauen, die den Blues mit aus der Taufe hoben. Sie spiegelten in der Musik ihr Leben wider. Kämpferisch, von unbändiger Leidenschaft und Humor, aber auch melancholisch.

Das Wichtigste aber war, dass Bessie Smith und die Künstlerinnen, die ihr nachfolgten, sich ihre Texte größtenteils selbst schrieben. Und mit ihren Worten bildeten sie ihr Leben ab. Gewannen dadurch Selbstsicherheit und setzten sich durch. Das Publikum konnte sich mit diesen Texten sofort identifizieren.

Bessie Smiths Auftritte sollen Erlebnisse der besonderen Art gewesen sein. Sie sang nicht nur, sie tanzte auch und lieferte komödiantische und schauspielerische Einlagen. Auch in dieser Hinsicht steht ihr Käthe von T., die Frontfrau von „Rag Doll“ in nichts nach.

Die drei Musikerinnen von „Rag Doll“ legen Wert darauf, die Titel der 20er Jahre auch in ihrer Originalfassung zu spielen. Die Texte sind alltagstauglich und direkt. So wie der Song von Bessie Smith „Gib mir eine Schweinshaxe und eine Flasche Bier“, oder den Titel „Don´t treat your man like a dog“ – auf Deutsch: „Behandle deinen Mann nicht wie einen Hund“, die sie genüsslich als Zwiesprache zwischen Posaune und Gesang auf der Bühne zelebrierten.

Rag Doll holt diese Frauen und ihre Musik wieder ins Rampenlicht – und das mit Verve.

Vom emotionalen Überschwang und dem derben, aber ehrlichen Humor der „Kaiserin des Blues“ Bessie Smith und ihren Zeitgenossinnen von Ma Rainey und Ethel Waters bis Alberta Hunter lassen sich die Berliner Musikerinnen immer wieder inspirieren. Tanja Becker vervollständigt mit ihrem Humor und ihrer furiosen Virtuosität an der Posaune das Trio perfekt. Zusammen entführen die drei Berliner Musikerinnen ihr Publikum auf eine Reise in das Zeitalter von Ragtime, Boogie Woogie, und Blues. Der Funke sprang über und sie verwandelten den Scharwenka-Garten in einen großartigen, alten Juke Joint, eine Kneipe im afro-amerikanischen Süden der 1920er Jahre.

Und wie das an Orten wie diesen nun mal ist: es wurde gelauscht, geswingt und mit geklatscht! Nur mit dem Mittanzen hat es diesmal nicht so geklappt. Wahrscheinlich war das der Hitze geschuldet. Als Zugabe gab´s dafür trotzdem die „Sweet Dreams“, die süßen Träume mit auf den Weg.