Viele der diesjährigen Veranstaltungen im Scharwenkahaus widmen sich ganz besonders den Frauen, die künstlerisch tätig sind und waren. Was mit der Vorstellung von Clara Schumann und ihrem Leben durch Frau Dr. Gößling in der Kaffeezeit am 23. Januar begann, in einer Ausstellung von Bildern der Malerin Jenny Marks fortgesetzt wurde, sollte nun an diesem Abend mit einem weiteren Höhepunkt über eine Künstlerin, die lange unentdeckt blieb, folgen: Fanny Hensel.
Am 14.11.1805 als Fanny Zippora Mendelssohn geboren, getauft Fanny Cäcilie Mendelssohn Bartholdy hatte sie sich früh und ihr ganzes Leben lang mit der Musik beschäftigt. Sie stand als ältere Schwester ihres berühmten Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy jedoch immer in dessen Schatten. Ihre Arbeiten als Komponistin, sowie ihre Auftritte als Pianistin und Dirigentin wurden erst spät, seit den 1980er Jahren, erforscht.
Sie wurde nicht ganz 42 Jahre alt und zu ihren Lebzeiten von der Familie leider nicht in ihrem Schaffen unterstützt. In ihrer Ehe mit dem Maler Wilhelm Hensel, den sie 1829 heiratete, konnte sie ihre Leidenschaft zur Musik besser ausleben.
Die Pianistin Sophia Weidemann hat sich mit dem kompositorischen Werk beschäftigt und an diesem Abend zusammen mit Lothar Stolte, der aus Texten von und an Fanny Hensel las, das Publikum begeistert. Im Jahr 1994 in Filderstadt geboren, begann Sophia Weidemann ihre musikalische Ausbildung am Klavier im Alter von 10 Jahren. Bereits fünf Jahre später wurde sie Jungstudentin an der Musikhochschule in Stuttgart und erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen. 2024 ist ihre erste CD erschienen mit Fanny Hensels Zyklus „Das Jahr“, dazu Ausschnitte aus Tagebüchern der Komponistin sowie aus Briefen von ihr und an sie und das war an diesem Abend nun live erlebbar.
Lothar Stolte stellte dem Publikum zuerst die Komponistin kurz vor und beschrieb auch die Schwierigkeiten, die sie als Frau mit der Ausübung der Kunst hatte. Dann wurde die Pianistin des Abends, Sophia Weidemann, herzlich begrüßt, die das Publikum durch die musikalisch vertonten Monate führte. Die Musik entstand 1841 nach einer einjährigen Reise mit Ehemann und Sohn durch Italien 1839/40, die Fanny Hensel sehr geprägt hatte. Zuerst in Venedig, beschreibt sie in einer Tagebuchnotiz erste Eindrücke, Erstaunen, Bewunderung, Rührung…“seit wir hier sind, hab‘ ich fast noch keine trockenen Augen gehabt“. Die Briefe aus dieser Zeit belegen, dass sie mit Wilhelm Hensel eine glückliche und kreative Zeit verbrachte, „…die Ehe hat meiner Musik nicht geschadet…“, schrieb sie an den Bruder.
Zwischen den Monaten las Herr Stolte Auszüge überwiegend aus Briefen von und an den sehr geschätzten und geliebten Bruder Felix, in denen immer wieder die Bewunderung für ihn deutlich wurde.
Dass der Vater strikt gegen eine Musikkarriere seiner Tochter war, ist in einem seiner Briefe belegt, in dem er sie ermahnte, sich als eine bessere Hausfrau zu bemühen, sie soll sich zum Hausfrauenberuf als eigentlichen und einzigen Beruf eines Mädchens bilden. Die Musik sollte für sie stets nur eine Zierde sein. Wie gut, dass sie nicht auf den Vater gehört hat!
Zum Ende der Reise liest man in Fannys Brief über ihre schönen Erinnerungen und das Bedauern, Italien wieder verlassen zu müssen. Diese Melancholie klingt auch immer wieder in den Monatsbildern durch. Der Januar begann schwermütig, dumpfe tiefe Töne durchbrochen von hellen Tönen. Aber man hörte in den anderen Monaten auch fröhliche Klänge, heiter perlend, dann auch Donnergrollen und im „September“ einen ruhigen plätschernden Fluss, meisterhaft und einfühlsam gespielt von Sophia Weidemann, die keine Notenblätter brauchte.
Der „Dezember“ enthielt eine Melodie, die vielleicht von einigen erkannt wurde-ein Bachzitat: „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Der Klavierzyklus endete mit einem 13. Stück als kleines Nachspiel.
Frau Weidemanns Finger flogen über die Tasten und verzauberten die Zuhörer und durch die Texte konnte uns die Persönlichkeit der Komponistin besonders nahegebracht werden. Verdient erhielten die beiden Künstler sehr viel Beifall.