Bad Saarow. Wer geglaubt hatte, ein Plausch über Ethnologie könnte eine trockene Angelegenheit werden, wurde am Freitag, dem 13. , schnell eines besseren belehrt. Dafür sorgte in einer ausgesprochen kurzweiligen Frage-und-Antwort-Runde Prof. Dr. Ute Mohrmann. Befragt von Gerlinde Stobrawa gab die Wissenschaftlerin nicht nur Einblicke in ihr bewegtes Leben, sondern auch in ihr Arbeitsgebiet, unter dem sich Uneingeweihte gewiss nichts genaues vorstellen konnten, die Autorin dieses Textes eingeschlossen. Bei „google Allwissend“ lautet eine Erklärung „Ethnologie ist eine empirische und vergleichende Sozial- und Kulturwissenschaft, die die Vielfalt menschlicher Lebensweisen aus einer sowohl gegenwartsbezogenen als auch historisch verankerten Perspektive erforscht“. Dass die 1938 geborene Ute Danneil einmal auf die Idee kommen könnte, das an der Humboldt-Universität in Berlin zu studieren, wurde ihr fast schon an der Wiege gesungen. Denn ihr Vater hatte als Jugendlicher bereits die Idee einer Weltreise. „Irgendwie muss ich in meinen Genen etwas von dem Interesse an anderen Völkern und Lebensweisen mitbekommen haben“, vermutet sie deshalb auch. Als sie mit dem Studium begann, das seinerzeit noch die Bezeichnung „Volkskunde und Völkerkunde“ trug – heute Europäische und Außereuropäische Ethnologie“ – war sie in einem „Orchideenfach“ gelandet, erzählte sie, in einem offenbar exotischen Bereich. „Wir waren nur acht Studenten im Studienjahr, waren irgendwie isoliert, etwas Besonderes, nicht gerade auf der Linie der anderen Gesellschaftswissenschaften.“ Dazu trugen gewiss auch ihre Professoren bei. Einer ihrer Dozenten war ein bekannter Professor in England, der 1956 in die DDR übersiedelte und hier auch Mitglied der SED wurde. Ein anderer – Professor der Lateinamerikanistik – kam aus Westdeutschland. „Sicherlich standen wir auch immer unter besonderer Beobachtung, aber die Qualität unserer Lehrveranstaltungen war auch exzellent“. In der Riege der exotischen Lehrkräfte war dann auch ein Professor, der zu den australischen Ureinwohnern forschte, den Aborigines. Mit diesem wissenschaftlichen Hintergrund begab er sich mit den Studenten dennoch ins Oderbruch, um in einer Feldforschung die Lebensweise der Menschen zu erkunden und wissenschaftlich weiterzuverarbeiten und zu vergleichen.
Ob sie denn bei ihrem Interesse für andere Lebensweisen währen ihrer Zeit an der Uni auch reisen konnte, wollte die Interviewerin von der Wissenschaftlerin wissen. „Eher nicht“, bekannte Ute Mohrmann. „Aber unsere Professoren im Studium, die zu internationalen Kongressen fuhren, brachten immer die neueste Literatur mit, die wir natürlich intensiv auswerteten.“ Einmal allerdings konnte sie als Studentin für mehrere Wochen nach Schweden reisen.
Dass sie nach Beendigung ihres Studiums an der Uni blieb, war gar nicht ihr Plan. Doch sie wurde offenbar gebraucht, wurde Assistentin am Lehrstuhl, machte eine Aspirantur, schrieb ihre Dissertation, wurde zur Professorin ernannt und lehrte künftig selbst. Zwischendurch heiratete sie, „unsere Hochzeitsreise machten wir an den Scharmützelsee“, benannte sie eine ihrer ersten Begegnungen auch mit Bad Saarow, und wurde Mutter eines Sohnes.
In ihrer 32-jährigen Tätigkeit an der Humboldt-Uni gab sie ihr Wissen nicht nur an die Studierenden weiter, sondern traf auch mit interessanten Persönlichkeiten wie Prof. Jürgen Kuczynski oder Johann Schmidt, dem Mann von Anna Seghers, zusammen. In der Fraktion des Kulturbundes der DDR vertrat sie zwei Legislaturperioden in der Volkskammer neben Prof. Manfred von Ardenne, Klaus Gysi, Herrmann Kant und einigen anderen die Belange der kulturellen Entwicklung.
Nach Bad Saarow zog es sie immer wieder zurück, und seit 1995 ist es ihr Zuhause. Dass Prof. Dr. Ute Mohrmann an diesem Freitagabend so viele Besucher anzog, liegt nicht nur an ihrem großen Freundes- und Bekanntenkreis, sondern auch an der Art, wie sich die umtriebige Wissenschaftlerin in das gesellschaftliche Leben in der Region einbringt. Sie ist Mitglied im Förderverein des Kurortes Bad Saarow, war hier als Gästeführerin tätig, war aktiv in der Aktion „Ermutigung“ – diese fördert die künstlerischen Betätigung behinderter Menschen – und gehört gegenwärtig zu den Enthusiasten, die die Chronik zum 100-jährigen Bestehen Bad Saarows im nächsten Jahr vorbereiten. Und so vital, wie Ute Mohrmann agiert, wird das noch längst nicht ihr letztes ehrenamtliches Engagement sein.
Den musikalischen Rahmen gestaltete in seiner unnachahmlich charmanten Art wieder Friedemann Mewes am Bechstein-Flügel. Text u. Fotos: Waltraut Tuchen