Paris, London, New York, Wien, Tokio und nun – Bad Saarow. Da stand am Sonntag ein Weltstar auf der kleinen Bühne des Scharwenka-Hauses. Kein Wunder, dass es ausverkauft war angesichts dieses Auftritts des Countertenors und Kammersängers Jochen Kowalski, der am Klavier begleitet wurde von einem ebenfalls renommierten Vertreter der klassischen Musikszene – Prof. Günther Albers.
Über Stationen seines künstlerischen Schaffens als Lehrender in Berlin und Graz ist dieser seit einigen Jahren an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt/Main tätig. Als Pianist und Dirigent führte ihn seine Arbeit mit vielen bedeutenden Sängerinnen und Sängern der Gegenwart zusammen, eben auch mit Jochen Kowalski. Beide bildeten an diesem Abend ein kongeniales Duo, dessen Auftritt die Gäste mit starkem Applaus würdigten.
Überschrieben war das Programm der beiden mit dem Titel „Pierrots mondtrunkene Reise in das Reich der sagenumwobenen Nachtigall“, wobei die Geschichte Pierrots den ersten Teil vor der Pause bildete und die der besonderen Nachtigall den Teil danach. Bevor Kammersänger Kowalski aber anfangen konnte zu singen, intonierte Prof. Anders ein kurzes Klavierstück, das Kowalski erstaunt kommentierte: „Das hatten wir gar nicht für unser Programm verabredet“, woraufhin Albers schmunzelnd meinte: „Das ist sozusagen ein kleiner Gruß aus der Küche, ein Stück von Scharwenka und eine Reverenz an ihn.“
Sein Programm begann Jochen Kowalski mit dem Gesang „Pierrot lunaire“ von Max Kowalski (1882-1956), mit dem er – so der Kammersänger – trotz der Namensgleichheit aber nicht verwandt sei. Zu erleben, wie Jochen Kowalski auf der Bühne agierte, war die pure Lust. Dieser Künstler singt nicht nur fabelhaft – seine Alt-Stimme als Countertenor ist ohnehin außergewöhnlich – er lebt den Liedtext auch. Sein ganzer Körper von den Haarwurzeln bis zu den Schuhspitzen ist in Bewegung, er zelebriert den Text förmlich, er windet sich, arbeitet mit den Armen, die Mimik seines Gesichtes kann von größter Fröhlichkeit bis Tieftraurigkeit alles darstellen. Man hängt ihm als Zuhörer förmlich an den Lippen und ist erstaunt bis erschrocken, wenn nach sachten, weichen Klängen plötzlich aus seinem Mund Töne wie Donnerhall erschallen. Prof. Albers begleitete den Kammersänger dabei auf dem Klavier. Zwischendurch spielte der Pianist Stücke von Arnold Schönberg (1874-1951)
Ebenso eindrucksvoll wie als Sänger, erlebten die Zuhörer Kowalski im zweiten Teil seines Auftrittes auch als Schauspieler, als Erzähler während des Vortrages des Märchens „Die Nachtigall“ von Hans Christian Andersen ((1805-1875). Die von ihm im Original bei einem Antiquar aufgestöberten Noten dazu von Arnold Winternitz (1874-1928) bilden die Begleitmusik, die Prof. Albers spielte. Eine Augen – und Ohrenweide in einem war es zu erleben, wie der Kammersänger das Märchen den Zuschauern bildhaft darbot .
Unter den zahlreichen Besuchern, die den Künstlern lange applaudierten, saß auch Bernhard Hansky aus Berlin mit seinem Sohn Oskar. Hansky ist über seine Frau Evelin Novak nicht nur mit Kowalski befreundet, sondern sozusagen auch ein noch junger Berufskollege, denn er ist Opernsänger und Musikdozent bei der Oper Oder-Spree. In Neuzelle und Eisenhüttenstadt zur Schule gegangen, an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ hat er studiert und ist nach einem Engagement in Dresden nun Ensemblemitglied an der Hamburgischen Staatsoper. „Auf dem Rückweg von meinen Eltern in Schwerzko konnte ich mir diesen Auftritt von Jochen Kowalski natürlich nicht entgehen lassen“, meinte er.
Einen außergewöhnlich langen Anreiseweg hingegen hatte Reiko Kinoshita aus Yokohama. Die Japanerin war extra für fünf Tage nach Deutschland gekommen, um ihren Star Kowalski zu erleben, endlich wieder nach langer Corona-Pause. Auf Deutsch erzählt sie, dass sie ihn zum ersten Mal 1994 an der Wiener Staatsoper als Prinz Orlofsky in der „Fledermaus“ erlebte. Seitdem ist sie hin und weg von seiner Gesangskunst und nimmt auch weite Wege wie die fast 11 000 Kilometer aus Japan auf sich. Ihre Antwort auf die Frage, warum sie Deutsch sprechen kann: „Damit ich die Texte des Sängers in seiner Muttersprache verstehe.“ Chapeau, kann man dazu nur sagen!
Das obligatorische Geschenk – eine Maxi-Flasche Piano-Bier – kam den beiden Gäste nach diesem anstrengenden Auftritt sehr gelegen, was Kowalski fröhlich kommentierte und die Leiterin des Hauses Gerlinde Stobrawa erfreute.