Im Rahmen der Gesprächsreihe mit Persönlichkeiten anlässlich des 100 jährigen Bestehens der Gemeinde berichtet der Nestor des Fördervereins Kurort Bad Saarow über sein Leben
Mit blauem Seidenschal, Eloquenz und Humor erklimmt der 91jährige das Podium. Nicht ohne den in der ersten Reihe sitzenden Damen Komplimente zu machen. Gerlinde Stobrawa, die langjährige ehemalige Bürgermeisterin und amtierende Vorsitzende des Scharwenka Kulturforums e.V., die ihn seit der Zeit der Gründung des Fördervereins in den 90er Jahren kennt und schätzt, hat keine Mühe, ihm Geschichten und Anekdoten aus seinem Leben zu entlocken.
„Wer über 100 Jahre Bad Saarow spricht“, so Gerlinde Stobrawa, „kommt an der Familie Grabley nicht vorbei.“ Sie gehört zu den Familien, die den Kurort seit über hundert Jahren und bis heute prägen.
1919 hat Peter Grableys Großvater, der Berliner Arzt Dr. Paul Grabley, das Gut Eibenhof an der Spitze der Halbinsel Saarow Dorf gekauft und das erste Sanatorium im Ort gegründet. In einer Werbeanzeige von damals wirbt er mit individueller Behandlung, dem familiären Charakter seiner Einrichtung und der Versorgung mit Produkten aus eigener Landwirtschaft, Gärtnerei und Molkerei. Ein Konzept – damals so modern wie heute.
Von diesem unternehmerischen Geist, gepaart mit sozialen und kulturellen Ambitionen, hat sein 1931 geborener Enkel Peter offenbar vieles mitbekommen. Wohl nicht ohne Grund wurde er vom Großvater zum Erben erkoren. 1942, da war er elf Jahre alt, kam er das erste Mal nach Bad Saarow zu den Großeltern. Der Vater und die Familie lebten, aufgrund der jüdischen Herkunft seiner Frau, in der stillen Emigration in einem kleinen Dorf bei Rheinsberg. An Schule war in den letzten Kriegsjahren kaum zu denken.
Umso begieriger nutzte Peter Grabley die Chancen der Bildung und Teilhabe, die sich in den Jahren nach dem Krieg und dann in der DDR boten. Sein antifaschistisch und links denkender Vater schickte ihn in eine Reformpädagogische Internatsschule in Wickersdorf in Thüringen, wo er das Abitur machte und auch seine spätere Frau Hanna kennenlernte.
„Es war die Zeit des Aufbruchs, wir jungen Leute waren mit Enthusiasmus dabei, dieses Land aus den Trümmern und Verheerungen wieder aufzubauen. Wir wollten die neue sozialistische Gesellschaft schaffen. Wir wurden gebraucht. Die Industrie lag am Boden. Wir Studenten schoben Sonderschichten in der Maxhütte, die uns kaum jemand zugetraut hatte“ berichtet Peter Grabley. „Das war eine tolle Zeit.
Wir waren die Generation Aufbau, die dieses Land nach den Verheerungen des Krieges wieder funktionsfähig gemacht hat“ setzt er hinzu. „Diese Verantwortung und Erfahrung kann uns keiner nehmen.“
Vom Arbeiter zum Staatssekretär und zurück
„Eigentlich wollte ich ja Bühnentechniker werden, hatte auch schon an der Komischen Oper als solcher gearbeitet. Wie meinen Vater zog es mich zur Bühne“, erzählt er. Aber dann kam es anders. Nach dem Abitur 1551 gehörten Peter und Hanna Grabley zu den ersten Studenten an der neu gegründeten Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst. Sie studierte Arbeitsökonomie, er Industrieökonomie mit der Spezialisierung auf Chemieindustrie. Sie blieb an der Hochschule, wurde Professorin, er wurde 1956 an die Staatliche Plankommission berufen. Dort leitete er 20 Jahre lang die Abteilung Chemie, koordinierte die wirtschaftliche Planung und Entwicklung der chemischen Industrie in der DDR. Ein anspruchsvolles Aufgabengebiet. „Wir wollten die wirtschaftliche Entwicklung wissenschaftlich planen. Hatten sogar den Erfinder des Computers Konrad Zuse nach Steuerungsideen gefragt. Das klappte aber nur begrenzt, weil Ressourcen fehlten. Oder weil oft der Parteisekretär mehr zu entscheiden hatte als der Hauptbuchhalter“ resümiert Peter Grabley heute. 1986 folgte für ihn ein Karrieresprung. Er wurde Staatssekretär für Außenwirtschaft. „Das war für mich beruflich die schwierigste Zeit. Ich fühlte mich wie Butter auf der heißen Kartoffel. Es zeichnete sich immer mehr ab, dass unsere Konzepte der sozialistischen Planwirtschaft der Marktmacht des kapitalistischen Wettbewerbs nicht gewachsen waren.“ Er gehörte schließlich der Delegation der DDR an, die mit der BRD die Einführung der Währungsunion verhandelte. „Wir haben versucht, ein Drittel der überlebensfähigen Betriebe der DDR-Chemieindustrie zu erhalten. Bei einigen wie dem PCK, Schwarzheide und Leuna haben wir das erreicht. Ich habe den Prozess der Privatisierung nicht aufhalten können, aber der Kapitän verlässt nicht das sinkende Schiff“, beurteilt Peter Grabley sein Verhalten von damals. Mit dem Ende der DDR nahte für ihn, wie für Millionen andere auch, das berufliche Aus. Doch die Übergangsregierung unter Lothar de Maiziere brauchte ihn noch für die Abwicklung der Geschäfte mit den anderen RGW-Ländern. Ein Anflug von Bitternis ist zu spüren, wenn er davon spricht, wie er all das, was er in Jahrzehnten aufgebaut hatte an Kontakten, Verträgen und wirtschaftlichen Beziehungen, nun abwickeln musste. Aber Peter Grabley ist nicht der Mann, der sich in die Ecke setzt und klagt. Stattdessen setzte sich der Staaatssekretär a.D. hinter das Lenkrad seines Wartburgs und arbeitete zwei Jahre als Kurierfahrer in Berlin.
Als Kulturförderer zurück in Bad Saarow
1995 begann für Hanna und Peter Grabley ein neuer Lebensabschnitt. Die Mieten in Berlin wurden immer teurer. Sie bezogen Rente, bauten den Ferienbungalow auf dem Grundstück, das er vom Großvater geerbt hatte aus, und zogen nach Bad Saarow. „Wir hatten uns unser ganzes Leben gesellschaftlich engagiert und Verantwortung übernommen, da wollten wir jetzt nicht die Hände in den Schoß legen und nur den Garten hegen „, so Peter Grabley. So kam uns die Gründung des Fördervereins zur Entwicklung des Kurortes Bad Saarow gerade recht. Wir konnten unser Engagement, unsere Ideen und Jahrzehnte trainiertes Organisationsvermögen einbringen.“ Peter Grabley und seine inzwischen verstorbene Ehefrau gehörten zu den Gründungsmitgliedern des Fördervereins Kurort Bad Saarow.
„Ich wusste: Ein Kurort ist mehr als eine Therme! Deshalb haben wir Mitstreiterinnen und Mitstreiter gesucht, um Geschichte und Kultur des Ortes für Einheimische wie für Gäste erlebbar zu machen“, erläutert der Nestor der Kulturförderung in Bad Saarow. Und vieles, was heute zum selbstverständlichen, regelmäßigen kulturellen Angebot des Ortes gehört, wie der jährliche Kultursommer, die Lesungen und Gesprächsreihen in der Bibliothek, die Konzerte und Gespräche im Scharwenkahaus, Ausstellungen zu Kunst und Kultur am märkischen Meer und zur Ortsgeschichte, die regelmäßigen Ortsführungen gehen auf die Ideen und Inspirationen des Ehepaares Grabley und seiner Mitstreiter zurück.
Heute setzen Sohn Thomas und Schwiegertochter Angela Grabley die Familientradition fort. Was anfänglich die Idee und der Versuch einer Handvoll engagierter Bürgerinnen und Bürger war, entwickelte sich mit den Jahren zu einer anerkannten Institution und ist aus dem öffentlichen Leben des Ortes nicht mehr weg zu denken. „Wir waren wie eine kleine ehrenamtlichen Konzert- und Gastspieldirektion“, so der Nestor.
„Unser größte Coup war und ist die Rekonstruktion des historischen Bahnhofs“, freut er sich. Die Bahn fühlte sich für den 100 Jahre alten historischen Bahnhof nicht zuständig. Die Gemeinde übernahm das marode Bauwerk mit seinen vom Zahn der Zeit benagten 78 Holzsäulen, das Dach des Gebäudes drohte einzustürzen. Aber auch der Gemeinde fehlte das Geld für die Sanierung.
„Da hatten wir eine Idee. Gemeinsam mit der Architektin Carola Petzold – einer gebürtigen Dresdnerin – beschlossen wir eine Spendenaktion für die Sanierung des Bahnhofes ins Leben zu rufen. Ganz so wie bei der Dresdner Frauenkirche. Und siehe da, es hat geklappt.“ Die Bahnhofssanierung wurde ein echtes Gemeinschaftswerk der Saarower und ihrer Gäste, bestätigt auch die damalige Bürgermeisterin Gerlinde Stobrawa. „Auch den damaligen Innenminister Brandenburgs, Jörg Schönbohm, einen gebürtiger Saarower, haben wir nicht außen vor gelassen. Mit einer Stiftung konnten wir so von namhaften und nicht namhaften Spendern 140.000 Euro einwerben. Das war das nötige Eigenkapital, um eine größere Fördersumme vom Land zu bekommen.“
Peter Grabley freut es, dass so viele seiner Vorschläge umgesetzt wurden und er bedankt sich bei seinen aktiven MitstreiterInnen, wie Beate Müller, Frau Prof. Mohrmann, Gerlinde Stobrawa, Lutz und Ingrid Storr, Gertrud Zucker und vielen weiteren, die im Laufe der Jahre aktive Mitstreiter für ein gelungenes Kultur- und Gesellschaftsleben in Bad Saarow geworden sind.
Aber Peter Grabley wäre nicht Peter Grabley, wenn er nicht gleich Ideen hätte, was man noch besser machen könnte. Dem anwesenden Bürgermeister Axel Hylla trägt er auf, sich in diesem Jahr für einen qualitätsvollen Adventsmarkt einzusetzen, nicht nur für „drei Wurschtbuden“ in der Seestraße.
Gerlinde Stobrawa hatte die Idee, zum hundertsten Jubiläum Bad Saarows 100 langlebige Bäume zu pflanzen. „Kaum die Idee nahe gebracht“, so berichtet sie, „hatte ich am nächsten Tag schon sein fertiges Konzept auf dem Tisch.“
„Das liegt bei mir in der Schublade und wartet darauf, realisiert zu werden. Wer sich darum verdient machen will – nur heran“ bietet Peter Grabley an. „Wir suchen jetzt Leute, die das gemeinsam umsetzen wollen und können.“