„Mit Tönen sprechen“ – ein ganz besonderer Beethoven-Abend

Mehrmals verschoben kam der Abend nun endlich zustande.Und so kam es auch, dass die Frühlingssonate ausgerechnet im Winter im Mittelpunkt eines Musikabends stand. Ursprünglich im Frühjahr 2020 zum 200sten Geburtstag von Beethoven geplant, hatte es mehrerer Anläufe bedurft. So freute sich Herr Sailer am Ende der Veranstaltung „da haben wir Corona aber ein Schnippchen geschlagen“ und das Publikum fühlte sich mit 2G, viel Abstand und Lüften trotz allem wohl und genoss das außerordentliche Programm sehr.

Die Frühlingssonate könne aber auch deswegen so heißen, weil sie in F-Dur (F wie Frühling) geschrieben sei und einfach viel Leichtigkeit vermittele, meinte Herr Sailer. Juliane Burbaum, Klavier, und Laura Kania, Violine, spielten gleich zu Beginn den ersten Satz und man konnte ihm nur zustimmen.

Was Herr Sailer an diesem Abend regelrecht „komponiert“ hatte, war eine sehr gelungene Mischung aus Textbeiträgen verschiedener Autoren (einschließlich ihm selbst), den vier Sätzen der “ Frühlingssonate“ (zunächst Satz 1, 3 und 4, Satz 2 mit Absicht erst nach der Pause) und dem zweiten Satz der Klaviersonate „Pathétique“ von Beethoven, die die Persönlichkeit Beethovens in verschiedenen Facetten ausleuchtete.

In seiner eigenen Erzählung über den jungen Beethoven „Mit Tönen sprechen“ (daher stammt der Titel der Veranstaltung) zeichnet Herr Sailer am Beispiel des Schillergedichts, das später als „Ode an die Freude“ weltberühmt werden sollte, das Bild eines genialen Menschen, wie er Worte in „Musik ohne Worte“ umsetzt. In einem fiktiven Gespräch mit Richard Wagner hört man von der weichen Seite Beethovens, der oft als ruppig und übellaunig beschrieben wird, und seiner „Unfähigkeit“, das zu komponieren, was die Leute hören wollten, er könne nur seinem Gefühl folgen. Der dritte Satz der Frühlingssonate (zwischen den beiden Wortbeiträgen), kurz und flott, sei lt. Herrn Sailer eher ein Spaß von Beethoven gewesen, in dem er sich lustig machte über seine Musikerkollegen, die angeblich nicht zusammenspielen könnten. Juliane Burbaum und Laura Kania spielten im Anschluss den 4. Satz der Frühlingssonate und das Publikum war gespannt, warum der zweite Satz erst später kommen sollte.

Das Adagio des zweiten Satzes der Frühlingssonate, das von beiden Musikerinnen nach der Pause mit sehr viel Gefühl und hoher Intensität vorgetragen wurde, stand dann im Mittelpunkt einer Geschichte von Willi Bredel. Sie ging allen im Publikum sehr ans Herz. 1945, der Krieg ist beendet. Eine Familie, die sehr viel Hausmusik macht, bekommt regelmäßig Besuch von einem russischen Soldaten, der klassische Musik liebt und irgendwann gesteht, dass die Frühlingssonate von Beethoven sein Lieblingsstück ist. Die Familie, die ihn mittlerweile als Freund sieht, möchte ihm eine Freude machen, übt den zweiten Satz dieses Stücks ein und spielt es ihm zu Ehren vor. Der Soldat freut sich dagegen gar nicht, weint bitterlich und ramponiert die Inneneinrichtung. Der Hausherr will von einer Anzeige absehen, als er erfährt, was der Grund für das Verhalten ist: In Kiew 1942 wurden seine Frau und seine Kinder von deutschen Soldaten ermordet, am Vorabend hatten sie das Adagio gespielt.

Im Anschluss spielte Juliane Burbaum den zweiten Satz aus der Klaviersonate Pathétique. Dazu gab es einen Text von Thomas Mann über einen kauzigen, aber begabten Kantor, der Musikstücke so erklären konnte, dass das Publikum begeistert war.

So ging es auch dem Publikum im Scharwenka-Haus, das Herrn Sailer und die beiden Musikerinnen mit viel Applaus für den intensiven, interessanten und begeisternden Abend bedachte, bevor es mit einem von Beethoven bearbeiteten irischen Volkslied von den beiden Musikerinnen nach Hause geschickt wurde.

Text und Fotos von Vera Jaspers