Zweimal ausgebremst – dafür ein grandioses Konzert beim 3. Anlauf

Ulrike Mai und Lutz Gerlach zu den Saarower Klavierkonzerten im Scharwenka Haus

Die Lust auf endlich wieder Kultur, die schon lange gefühlte Sehnsucht nach Musik zog zahlreiche Gäste am 26. März in das Scharwenka Kulturforum. Es war so gut besucht, wie unter Corona-Beschränkungen eben möglich, und die Besucher feierten knapp zwei Stunden lang die glänzend aufgelegten Künstler Ulrike Mai und Lutz Gerlach. Sie sollten schon zweimal nach Bad Saarow kommen, was aber wegen der Pandemie immer ins Wasser fiel. 

Doch ehe die beiden mit ihrer eigentlich geplanten Darbietung begannen, spielten sie in freier Interpretation das Lied „Kleine weiße Friedenstaube“. Das wollten sie unbedingt ihrem Auftritt voranstellen, sagte Ulrike Mai. Sie sprach den Wunsch aus, „der keine Vogel möge hinausfliegen mit seiner wichtigen Botschaft“ und musste mit den Tränen kämpfen ob der gefährlichen Situation für den Weltfrieden.

Ulrike Mai rang mit den Tränen, bevor sie mit Lutz Gerlach das Lied „Kleine weiße Friedenstaube“, am Flügel und Piano gespielt, auf die Reise schickte.

Die Pianistin und der Musiker – auch Komponist und Produzent in einem –  boten dann eine mitreißende Vorstellung, in der sich alles um das Thema Meer drehte, so dann auch der Titel ihres Programms „Musica Mare – Poems of the Sea“. 

Abwechselnd auf dem Bechstein-Flügel und einem E-Piano bearbeitete das Duo so furios die schwarz-weißen Tasten, dass es einem schier schwindlig wurde von soviel Musikalität. Die Zuhörer konnten sich abwechselnd an der Küste eines stürmisch aufgepeitschten Meeres wähnen, wie sie gleich darauf glaubten, leise ans Ufer plätschernde Wellen zu hören.

Die Virtuosität der geübten Hände, der flinken Finger, die nur so dahinflogen auf den Tastaturen, bot den Besuchern einen ungeahnten Reichtum an Hörgenuss und gleichzeitig ein abwechslungsreiches Auf und Ab für die Gefühlswelt. Wie gekonnt Lutz Gerlach seine Affinität zum Jazz in das Spiel am Flügel einbrachte, war zudem ein besonderer Genuss, weil er Klavierspiel auf ungeahnte Weise erlebbar machte.

Ulrike Mai am E-Piano und Lutz Gerlach am Flügel.

Die beiden Künstler, die in Ahrenshoop an der Ostsee zu Hause, aber sowohl national als auch international bekannt sind, ließen keinen Zweifel an ihrer Vorliebe für das Meer. Die Beruhigung, die vom Geräusch der Wellen ausgeht, als auch die Wucht und die Kraft des Wassers und die damit einhergehende Begeisterung konnten die Zuhörer in zahlreichen Eigenkompositionen von Lutz Gerlach wie zum Beispiel in „Allegro Passeggi“, seinem Spaziergang zum Deich, miterleben.

Dass auch die Zuhörer bei ihm einen Part mitgestalten können, erfuhr die 78-jährige Bad Saarowerin Christa Schmechta in der ersten Reihe. Ihr gab Lutz Gerlach eine so genannte Ocean Drum in die Hand. Ein runder Holzrahmen, bespannt mit Pergament und darin hunderte kleine Stahlkügelchen, die beim Bewegen das herrlichste Wellengeräusch erzeugen und Gerlachs Komposition „Azurro Onde“ (Blaue Wellen) bereicherten.

Christa Schmechta mit einer Ocean-Drum.

Nach der Pause wechselte Ulrike Mai vom E-Piano an den Flügel und bot äußerst gefühlvoll verschiedene Stücke dar, unter anderem von Ernest Bloch aus seinen „Poems of the Sea“ (Gedichte des Meeres). Auch in dem von ihr gespielten Stück „Mad Rush“ (Stress) von dem Komponisten Philip Glass konnte der Zuhörer nahezu körperlich den negativen Einfluss von Hektik und Eile in kraftvollen, nahezu schmerzenden Klaviertönen erfahren und dann die erlösende, wohltuende Wirkung von Ruhe und Stille in sanften, harmonischen Klängen genießen.

Vierhändig am Flügel – Ulrike Mai und Lutz Gerlach spielen eine Version von Bedrich Smetanas „Moldau“.

 

Zehn äußerst flinke, leidenschaftlich auf den Tasten des Flügels tanzende Finger.

 

Während Lutz Gerlach den Tasten kräftige Töne entlockt, findet Ulrike Mai im Bauch des Flügels manche Möglichkeit, ganz zarte Klänge hervorzuzaubern.

Lutz Gerlach, der in seiner Jugend in Berlin zu Hause war, kennt Bad Saarow schon aus der Zeit, als er mit Onkel und Tante als kleiner Steppke zum Segeln an den Scharmützelsee kam. Mit Ulrike Mai war er nun erstmals wieder vor drei Jahren als Tourist im Kurort. Dabei stießen sie auf das Scharwenka-Haus und den engagierten Verein. Dass es diesem nun gelang, die beiden Pianisten zu einem Auftritt zu gewinnen, davon haben an diesem Abend alle Gäste auf wunderbare Weise profitiert. 

Helmut Lilge bedankt sich mit Blumen, einer Maxi-Flasche „Scharwenka Piano Bier“ und einem Büchlein über Xaver Scharwenka bei den beiden Künstlern.