Wenn einer einen interessanten Beruf hatte, dann kann er was erzählen. Interessant erzählen. Eberhard Geiger war schließlich 30 Jahre Musikregisseur und Produzent bei Eterna, dem ehemaligen Schallplattenlabel der DDR, das sich auf klassische Musik spezialisiert hatte. In dieser Funktion hatte er sehr engen Kontakt – teilweise wohnte man Tür an Tür im Hotel – zu international bekannten Sängern, Musikern und Dirigenten. Auch wenn der 87-Jährige bekannte, dass das „Erinnern auch Risiken in sich birgt“, gelang es ihm, „Zur Kaffeezeit“ im Scharwenka Kulturforum eineinhalb Stunden die Gäste gut zu unterhalten. „In die Schallplatte eingetreten“, wie er es formulierte, war Eberhard Geiger am 1. Januar 1966, da hatte er schon Musikwissenschaften und Psychologie in Leipzig studiert, sich als Student mit Klavierspiel über Wasser gehalten und in einem Verlag gearbeitet.
Was er für seine neue Arbeit brauchte, hatte er: Ein gutes Gehör, er konnte Partituren lesen und hatte psychologische Kenntnisse. Letztere brauchte er, denn Künstler, vor allem berühmte, können oft anstrengend und unberechenbar sein, wie Eberhard Geiger mit einigen Anekdoten zum Besten gab. Zum Hintergrund muss man wissen, dass die Klassik-Schallplatten meistens in Zusammenarbeit mit westdeutschen Produktionsfirmen, zum Beispiel Elektrola, entstanden – für die DDR eine Quelle, um an Devisen zu kommen. Die Weltstars (bezahlt vom Westen) kamen in die DDR, um mit hiesigen Qualitäts-Orchestern große Musik auf Vinyl zu bannen. Aber nicht immer, wenn zwei Weltstars zusammenkommen, geht es harmonisch zu. Als sich die US-Amerikanerin Grace Bumbry (1937-2023) und die Deutsche Opernsängerin Anneliese Rothenberger (1919-2010) in Leipzig bei Aufnahmen zu „Orpheus und Eurydike“ begegneten, soll es zu einem harten Schlagabtausch zwischen den Primadonnen gekommen sein. Die Rothenberger drohte mit Abreise, „wollte aber offenbar nur etwas mehr Aufmerksamkeit neben ihrer Konkurrentin“, vermutet Geiger.
Stolz erzählt er von der Zusammenarbeit mit dem österreichisch-deutschen Dirigenten Karl Böhm (1884-1981), der gut befreundet war mit Richard Strauß, der Böhm sogar die Oper „Daphne“ gewidmet haben soll. „Ich hatte die Ehre, mit ihm zu frühstücken“, erzählt Eberhard Geiger. „Karl Böhm war eine Legende, hochgeachtet, aber auch bei den Musikern sehr gefürchtet.“ Auch der österreichische Dirigent Carlos Kleiber (1930-2004), sei keine einfache Person gewesen, er hätte seine Musiker einfach stehen lassen können, habe aber auch wie ein Besessener gearbeitet. Seine Aufnahmen vom „Freischütz“ in Dresden würden noch heute „als legendär“ gelten. Kleiber sei nicht nur ein großartiger Dirigent gewesen, sondern auch ein cleverer Geschäftsmann, der es verstanden habe, die Preise hoch zu treiben. Zu den ganz Großen gehörte auch der chilenische Pianist Claudio Arrau (1903-1991). Beim Einspiel von Beethoven seien die ihn begleitenden Orchestermusiker so begeistert gewesen, dass sie aufgestanden sind und ihm Beifall gespendet hätten. „So etwas hatte ich noch nie erlebt“, erinnerte sich Eberhard Geiger. Mit Musik von Claudio Arrau verabschiedete er sich von einem dankbaren Publikum.