Eigentlich sollte dieser Sonnabend im Scharwenkahaus am 02. März 2024 komplett mit Werken von Xaver und Philipp Scharwenka gestaltet werden. Ulrich von Wrochem (Jahrgang 1944), der als Solobratschist u.a. an der Berliner Oper und an der Mailänder Scala spielte und nun freiberuflich tätig ist, hatte mit seinen Enkeln Frederick (Violine) und Henrik (Piano) ein Programm mit den Werken der Scharwenka-Brüder erarbeitet. Leider konnte Henrik von Wrochem wegen eines Unfalls nicht auftreten. Glücklicherweise erklärte sich der befreundete Pianist Dirk Fischbeck bereit, das Konzert zu retten. Er ist seit 1988 Lehrer für Klavier, Kammermusik und Improvisation am Musikzweig des Landesgymnasiums Latina August Hermann Francke in Halle (Saale). Seit 2010 ist er Lehrer an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik Halle (Saale) und spielte in vielen Kammer- und Klavierkonzerten mit. Die Musikfolge für diesen Abend wurde verändert und seit den Mittagsstunden nun intensiv geprobt, denn in dieser künstlerischen Zusammensetzung hatten die drei Musiker bisher noch nicht gespielt.
Das Vereinsmitglied Hartmut Fitschen erklärte den Gästen die veränderten Umstände, dann wurden die Künstler mit Beifall begrüßt. Ulrich von Wrochem gab dem Publikum zunächst einige Erläuterungen zur Neudeutschen Schule, einer Musikströmung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Einer Gruppe von Musikern und Musikwissenschaftlern um Franz Liszt, dem Förderer von Xaver Scharwenka, ging es um eine Neudefinition des Künstlers in der Gesellschaft. Diese Einleitung sollte die Verbindung zu diesen Zeitgenossen und die Einordnung der Werke der Scharwenka-Brüder deutlich machen. Den Rahmen des Konzerts bildeten mit dem geänderten Spielplan dann Werke von Philipp Scharwenka.
Die „Viola Sonate Nr. 106“, für Piano und Viola komponiert, führte die Zuhörer mit sehr fantasievollen Klängen in eine träumerische Stimmung.
Danach spielte der Enkel Frederik (geboren 2003) zusammen mit dem Pianisten Dirk Fischbeck ein Stück von Richard Wagner. Das „Albumblatt für Violine und Klavier“ verzauberte das Publikum und Ulrich von Wrochem hörte seinem Enkel im Hintergrund mit großem Stolz zu.
Max Reger, einige Jahre nach den Scharwenka-Brüdern geboren und Bewunderer von Philipp Scharwenka, hat u. a. Solostücke für die Bratsche komponiert. Das hat Ulrich von Wrochem dazu angeregt, eines dieser Werke auf seinem wertvollen Instrument aus dem Jahre 1700 zu interpretieren. Nach dieser sehr intensiven Darbietung der „Suite op. 131 d für Viola“ war die Pause eine gute Gelegenheit zur Erfrischung.
Es ging dann mit einer Komponistin der gleichen Generation wie die Scharwenka-Brüder weiter: Luise Adolpha Le Beau. Sie war sicher für viele eine überraschende neue Entdeckung. Die Musikerin und Komponistin, die zuletzt bis 1927 in Baden-Baden lebte, widmete sich nach dem Examensabschluss ausschließlich der Musik, war auf Tourneen unterwegs und hat selbst viele Werke komponiert.
Ulrich von Wrochem kündigte seine Titelauswahl mit dem Hinweis an, dass man eigentlich alle Lichter aus machen müsste. Denn es würde ein „Nachtstück“ gespielt, welches seine beste Wirkung in der Dunkelheit hat und man nur die Nacht dann musikalisch spürt. Eine „Träumerei“ und eine „Polonaise“ schlossen sich an, von den Musikern auf Piano und Viola mit viel Freude interpretiert.
Zum Abschluss konnte nun auch wieder Frederik von Wrochem sein Talent beweisen. Er spielt seit seinem 5. Lebensjahr Geige und hat bei „Jugend musiziert“ viele erste Preise gewonnen. Derzeit studiert Frederik noch an der Musikhochschule in Essen. Oft tritt er mit seinem Bruder Henrik als Duo oder gelegentlich mit dem Großvater im Trio auf.
Das „Trio op.121 in e-Moll für Violine, Viola, Klavier“ mit seinen zarten Klängen zeigte einmal mehr, dass es sich lohnt, sich öfter mit den Werken auch von Philipp Scharwenka zu beschäftigen, denn diese Musik ist einfach wunderschön!
Die Künstler wurden am Ende mit viel Beifall belohnt. Nach der Übergabe der Biografie über Xaver Scharwenka und Rosen an das Trio konnte das Publikum sich noch einmal als Zugabe an einem Satz des letzten Stückes erfreuen.
Text: Kirsten Wiedemann, Fotos: Mathias Seyffert