Was ist denn eine Solawi?
Diese Frage beantworteten Lara Brachmann und Tobias Wrowa der interessierten Zuhörerschaft in ihrer sympathischen, ruhigen und freundlichen Art und Weise an diesem Abend. Und sie hatten kleine Kostproben aus ihrem großen Garten mitgebracht: frische Möhren, Gurken und Radieschen.
Die Initiative „Solawi“ steht für Solidarische Landwirtschaft und ist eine Form der Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Verbrauchern. Bei einer Solawi-Initiative teilen sich die Mitglieder die Verantwortung und Risiken der landwirtschaftlichen Produktion. Die Landwirte erhalten eine finanzielle Unterstützung und die Mitglieder, Lara und Tobias nennen sie Mitgärtner, erhalten frische, regionale und nachhaltig produzierte Lebensmittel und teilen die gesamte Ernte unter sich auf. Es ist eine Form der direkten Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten, die auf Vertrauen, Solidarität und ökologischer Nachhaltigkeit basiert und ohne Großhändler und Einzelhandel auskommt. Die Direktvermarktung ist darüber hinaus auch krisensicherer und nicht so abhängig von der Weltwirtschaftslage, wenn zum Beispiel globale Lieferketten einbrechen.
In Deutschland gibt es rund 500 Solawi-Initiativen. Die Initiative von Lara und Tobias geht jetzt nach etwa fünf Jahren der Suche und Vorbereitung in die dritte Saison.
Wie kommt man auf die Idee, ein solches Projekt auf die Beine zu stellen und zum Beispiel einer Festanstellung mit sicherem Gehalt vorzuziehen?
Die beiden jungen Leute haben sich beim Biologiestudium kennengelernt. Schon immer haben sie sich für einen respektvollen, nachhaltigen Umgang mit der Natur und für gesunde, saisonale und regionale Ernährung interessiert.
Während eines Praktikums in einer Solawi begeisterte sich Lara für diese Idee und steckte auch Tobias an. Der Plan, eine gemeinsame Solawi auf die Beine zu stellen, nahm Gestalt an. Lara kommt aus der Lüneburger Ecke und Tobias aus Berlin. Nach dem Biologiestudium landeten die beiden zunächst erst einmal in Berlin und nahmen Tätigkeiten auf, um das Geld für die Realisierung ihrer Idee zu erwirtschaften. Parallel dazu suchten sie etwa fünf Jahre im Umland von Berlin nach geeigneten Ackerflächen, was nicht so einfach war, weil so kleine Flächen, wie sie sie suchten, kaum annonciert und eher stillgelegt werden.
Schließlich wurden sie in Bad Saarow, im Ortsteil Pieskow, fündig und konnten mit einem langjährigen Vertrag und einer erschwinglichen Gebühr eine 2 Hektar große Fläche Land und, durch eine glückliche Fügung, auch das danebenstehende Haus pachten. Es fühlte sich für die beiden einfach richtig an.
Bis zur ersten Ernte war es noch ein großes Stück Arbeit – es waren ja erst einmal nur zwei Hektar unbestellter Boden – in Teilen sandig, auf anderen Parzellen anmoorig, wie die Zuhörerschaft auf die Frage nach der Bodenqualität erfuhr. Kompost wird noch dazu gekauft, um die insgesamt recht gute Bodenqualität noch weiter zu verbessern.
Von Anfang an war das Interesse in Bad Saarow und Umgebung erfreulicherweise groß für ihr Projekt. Zu einer ersten Informationsveranstaltung, für die nur mit Handzetteln, ohne Social Media, geworben wurde, kamen viele Menschen. So sind einige Mitgärtner schon von Anfang an dabei.
Die Bilanz kann sich sehen lassen
Nach der Bilanz der ersten zwei Jahre gefragt, antworten die Beiden, dass es sehr gut läuft, dass sie davon, ohne größere Sprünge, auch leben können. „Wir werden davon nicht reich, aber wir fühlen uns unheimlich reich. Es sind sehr schöne Kontakte mit und zwischen den Mitgärtnern entstanden und wir fühlen uns in Bad Saarow total wohl.“
Auf die Frage, ob sie in Bad Saarow angekommen sind, antwortete Lara spontan und sehr überzeugend: „Ich bin überglücklich in Bad Saarow.“
Sie erleben hier einen großen Zusammenhalt und überschaubare Strukturen, im Gegensatz zum Leben in Berlin. Ihre dreijährige Tochter Ronja wächst naturnah auf und wird später einmal nicht überrascht merken, dass eine Mohrrübe ja eine Wurzel ist, wie kürzlich ein Kind feststellte, oder dass Spinat eine Pflanze ist, die in der Erde wächst, bevor er püriert auf dem Teller liegt, wie Kinder einer Kindergartengruppe bei einem Besuch der Solawi lernen konnten. Später einmal wollen die beiden ihre Kontakte zu Kindereinrichtungen ausbauen. Der Naturkindergarten hat schon sein Interesse bekundet.
Wie funktioniert nun das Mitgärtnern und was haben die Mitgärtner und Mitgärtnerinnen von der Solawi?
In dieser, wie generell bei einer Solawi, profitieren alle Beteiligten von der Beziehung: Die Mitgärtnerinnen und Mitgärtner erhalten wöchentlich oder zweiwöchentlich, jeweils am Erntetag, dienstags ab 14 Uhr, eine Kiste (je 20 €) mit tagfrischem, saisonalem und regionalem Gemüse. Sie erleben Transparenz, weil sie wissen, wo, durch wen und wie ökologisch die Produkte angebaut werden, und zu welchen Kosten dies geschieht. Damit fördern sie regionale Nachhaltigkeit und die Stärkung einer lebendigen lokalen Landwirtschaft. Sie, wie auch Lara und Tobias, erhalten die Möglichkeit, sich Wissen über den Anbau des Gemüses sowie über die Pflege der Erde zu erwerben. Sie lernen auch seltene Variationen bekannter Gemüsesorten und Gemüse kennen, die sie bisher vielleicht noch nicht auf dem Speiseplan hatten. Lara und Tobias bauen 35-40 verschiedene Gemüse- und Kräuterarten an. Hilfreich ist, dass die beiden auch immer mal Rezeptideen in die Gemüsekisten legen. Das Abo zwingt auch ein bisschen dazu, das saisonale Gemüse in vielfältiger Art und Weise zu verarbeiten.
Der Solawi-Betrieb selbst erhält Planungssicherheit, ist geschützt vor Veränderungen des Marktes, die Wertschöpfung bleibt in der Region, und die Möglichkeit der Unterstützung durch eine Gemeinschaft ist jederzeit und besonders bei Aktionstagen gegeben.
Solawi – Ein Konzept der Zukunft!
Menschen aus etwa 60 Haushalten gärtnern inzwischen begeistert mit und teilen die Ernte unter sich auf. Daher gibt es auch keinen Hofladen. Wer an dem Projekt interessiert ist, kann sich Informationen direkt vor Ort am „Gemüsehof Lärchengrund“ oder unter Tel: 0177-8757542 einholen.
Das Gespräch mit Lara und Tobias führte Vereinsmitglied und längst auch schon Mitgärtnerin Ruth Buder. Zunächst begrüßte Vereinspianist Friedemann Mewes in seiner unnachahmlich trocken-witzigen Art das Publikum und spielte zur Einstimmung auf den Abend die „Polnischen Tänze Nr. 3″ des Namensgebers des Hauses, Xaver Scharwenka. Zu späterer Stunde brachte er dann noch den „Bossa Nova U.S.A.“ von Dave Brubeck zu Gehör, verbunden mit der passenden Aufforderung: „Leute, nur Mut!“ Die Gäste der Veranstaltung würdigten die beiden jungen Leute mit herzlichem Applaus und vielen guten Wünschen für sie persönlich und ihr ambitioniertes Herzensprojekt.
Text und Fotos: Susanne Karafiat