
Die „Scharwenkas“ aus Lübeck haben am Montag die „Scharwenkas“ in Bad Saarow besucht. In der Hansestadt besteht seit 1988 die Xaver & Philipp Scharwenka-Gesellschaft e.V. Zu den Gründungsmitgliedern gehörte die Pianistin und Hochschulprofessorin Prof. Evelinde Trenkner-Boie, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die vergessenen Brüder Scharwenka und ihr Werk aufleben zu lassen. Als sie Ende 2001 mit ihrem Mann Bad Saarow besuchte, machte sie kommunale Politiker auf die vergessene Musenhütte des Komponisten Xaver Scharwenka (1850-1924) aufmerksam und ermunterte, das heruntergekommene Holzhaus in der Moorstraße wiederzubeleben. Die Lübeckerin gab die Initialzündung für eine große Investition in Bad Saarow, ab Ende 2002 intensiv unterstützt von der damaligen Bürgermeisterin Gerlinde Stobrawa (beide Frauen sind inzwischen verstorben). Vor elf Jahren war es dann so weit, das Scharwenka Kulturforum wurde eingeweiht und ist seitdem ein beliebter Ort der Begegnung und der Musik, den ausschließlich ehrenamtlich tätige Vereinsmitglieder bewirtschaften.

Das denkmalgeschützte Haus und sein Innenleben wollten die Lübecker nun einmal anschauen, die meisten kannten es nicht. Eine Ausnahme war Christa Maertens, die hier alte Bekannte wieder getroffen hat: Ingrid und Lutz Storr sowie Carola und Christian Petzold, die in den ersten Stunden maßgeblich an der Wiedererstehung des Hauses beteiligt waren. Als Architektin hat hier Carola Petzold Großartiges geleistet. Auch Jürgen Feldhoff, 1. Vorsitzender des Lübecker Vereins, und seine Frau Svea Regine (Schriftführerin) kannten das Haus und seine Geschichte bereits.

Die Saarower „Scharwenkas“ hatten sich alle Mühe gegeben, „ihre Schwester“ freundlich zu begrüßen – mit einer kurzen Einführung ihrer Vorsitzenden Vera Jaspers und selbstgebackenem Kuchen.


Die Lübecker hatten ein nettes Programm mitgebracht: Auf dem Bechstein-Flügel spielte die Pianistin Annette Töpel Musik von Xaver Scharwenka, dazwischen las Michael P. Schulz, Regisseur und 2. Vorsitzender des Lübecker Vereins, aus der sehr unterhaltsamen Autobiografie. Xaver Scharwenka war seit seiner Kindheit in Musik vernarrt, lehnte es ab, Medizin zu studieren und war später ein leidenschaftlicher Komponist, Pianist und Musikpädagoge mit Konservatorien in Berlin und New York. „Er war ein Musikunternehmer“ , betonte Prof. Stefan Koch, Vorsitzender der Bad Saarower Scharwenka Stiftung. Er öffnete vor den Gästen seinen Schatz in Form von zwei dicken Ordnern mit Briefen zwischen Scharwenka und seinen Zeitgenossen sowie zwischen seinen Töchtern.


Wie unterschiedlich eines der bekanntesten Werke von Scharwenka – die „Polnischen Tänze“ op.3 (1971)- interpretiert werden können, zeigte das imposante Spiel mit dem weichen Anschlag von Annette Töpel. Viel dramatischer und lauter ertönte das Stück auf dem selbstspielenden Steinway Klavier. Der unsichtbare Pianist, der hier die Tasten bewegt, ist kein anderer als Xaver Scharwenka selbst. Lutz Storr führte das Reproduktionsklavier den staunenden Gästen vor – alle sind immer wieder beeindruckt von der über 100 Jahre alten Technik, die im Saarower Kulturforum einen festen Platz hat.

Die Lübecker brachten nicht nur Marzipan mit, sondern sprachen auch eine Einladung aus, ihr traditionelles Kammermusikfest vom 13. bis 15. Juni im Kolosseum zu besuchen. Dort werden neben anderen vernachlässigten Komponisten auch die Scharwenka-Brüder gespielt.
Das letzte lustige Wort sprach der Vorsitzende des Lübecker Vereins: „Wir sind die Statthalter der Scharwenkas auf Erden“.